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EU-Kommission und AstraZeneca legen Streit um Impfstoff-Lieferungen bei

Die EU-Kommission und die britische Pharmafirma AstraZeneca haben ihren laufenden Rechtsstreit zur Lieferung von Corona-Impfdosen beigelegt. Dies teilte die Kommission am Freitag mit. Damit werde die Lieferung von 200 Millionen ausstehenden Dosen bis März kommenden Jahres garantiert. „Obwohl wir diese Woche den wichtigen Meilenstein der vollständigen Impfung von 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung der EU erreicht haben, gibt es große Unterschiede zwischen den Impfquoten unserer Mitgliedsstaaten. Und die kontinuierliche Verfügbarkeit von Impfstoff, inklusive derer von AstraZeneca, bleibt ausschlaggebend“, sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides.

Verfahren gegen AstraZeneca sollte bald beginnen

Die EU-Kommission hatte Ende April juristische Schritte gegen AstraZeneca eingeleitet. Der britisch-schwedische Hersteller hatte die Lieferungen von Corona-Impfstoff an die EU in den Monaten zuvor immer wieder einseitig drastisch gekürzt. Ein erster Gerichtstermin im Hauptsacheverfahren war ursprünglich für Ende September geplant. Schon im Juni hatte zudem ein belgisches Gericht in einem Eilverfahren festgestellt, dass AstraZeneca den Vertrag mit der Europäischen Union ernsthaft verletzt habe. Das Unternehmen bestritt dies stets und verwies auf Produktionsprobleme.

INFO-BOX:
AstraZeneca
AstraZeneca entstand 1999 aus der schwedischen Astra AB und der britischen Zeneca PLC. Hauptsitz des Unternehmens ist Cambridge. 2019 war AstraZeneca mit mehr als 70.000 Beschäftigten und 26,6 Milliarden US-Dollar Umsatz der größte Arzneimittelhersteller der Welt.
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Nach der Kommission bestätigte auch AstraZeneca die außergerichtliche Einigung. Damit sei der Rechtsstreit von beiden Seiten ad acta gelegt. Der Vizepräsident des Unternehmens, Ruud Dobber, sagte laut einer Mitteilung, dass er sich sehr freue, „dass wir ein gemeinsames Verständnis erzielen konnten, das es uns ermöglicht, gemeinsam mit der Europäischen Kommission voranzukommen und zur Überwindung der Pandemie beizutragen“. AstraZeneca wolle eng mit der Kommission zusammenarbeiten, um die Impfallianz Covax zu unterstützen.

Nach Angaben des Konzerns verpflichtet sich AstraZeneca zur Lieferung von 60 Millionen Impfdosen bis zum Ende des dritten Quartals 2021. Weitere 75 Millionen Dosen sollen zum Ende des vierten Quartals hinzukommen. Im ersten Quartal kommenden Jahres sollen 65 Millionen Dosen geliefert werden. „Den Mitgliedsstaaten werden regelmäßige Lieferpläne zur Verfügung gestellt, und im Falle einer verspäteten Dosierung gelten begrenzte Rabatte“, so das Unternehmen. Im Falle einer Verzögerung von einem Monat gibt es demnach zehn Prozent Nachlass, ab drei Monaten 40 Prozent. Wie AstraZeneca weiter mitteilte, hat der Hersteller gemeinsam mit seinen Partnern mehr als 170 Staaten rund 1,1 Milliarden Impfdosen zur Verfügung gestellt. Davon seien rund zwei Drittel an ärmere Länder gegangen.

Impfstoffe sorgen für Krise zwischen der EU und London

Der Streit mit AstraZeneca belastete auch die Beziehungen zwischen der EU und der britischen Regierung. In Großbritannien kam es kaum zu Lieferengpässen bei dem Vakzin, da die britische Regierung die Ausfuhr von Impfstoffen aus dem Vereinigten Königreich so gut wie unmöglich gemacht hatte. So wurde ein Großteil der Bevölkerung mit AstraZeneca-Impfstoff immunisiert. Die EU-Kommission führte daraufhin ihrerseits Exportkontrollen von Corona-Impfstoffen ein. Dadurch wollte man verhindern, dass es zu einem weiteren Abfluss des knappen AstraZeneca-Präparats kommt, solange die Verträge in Höhe von gesamt 300 Millionen Dosen nicht erfüllt waren. Dies löste international Kritik aus, unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation.

Zu einer diplomatischen Krise mit London kam es gar, als zwischenzeitlich der Eindruck entstand, die EU-Kommission wolle die Ausfuhr von Impfstoffen auch an der Grenze zwischen dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland kontrollieren. Genau um das zu verhindern, hatten Brüssel und London jahrelang bei den Brexit-Verhandlungen gerungen. Eine offene Grenzen zwischen den beiden Teilen der irischen Insel gilt als Voraussetzung für den Erhalt des Friedens in der ehemaligen Bürgerkriegsregion.