Panorama

Jury kürt „Klimaterroristen“ zum Unwort des Jahres 2022

„Klimaterroristen“ ist das Unwort des Jahres 2022. Das gab die Jury der sprachkritischen „Unwort“-Aktion am Dienstag in Marburg bekannt. Der Ausdruck sei im öffentlichen Diskurs benutzt worden, um Aktivisten und deren Proteste für mehr Klimaschutz zu diskreditieren, begründete die Jury ihre Wahl.

„Sozialtourismus“ und „defensive Architektur“ Platz 2 und 3

Info-Box
Unwörter des Jahres
2006: Freiwillige Ausreise
2007: Herdprämie
2008: Notleidende Banken
2009: Betriebsrats-verseucht
2010: Alternativlos
2011: Döner-Morde
2012: Opfer-Abo
2013: Sozialtourismus
2014: Lügenpresse
2015: Gutmensch
2016: Volksverräter
2017: Alternative Fakten
2018: Anti-Abschiebe-Industrie
2019: Klimahysterie
2020: Rückführungs-patenschaften / Corona-Diktatur
2021: Pushback
2022: Klimaterroristen
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Die mehrheitlich aus Sprachwissenschaftlern bestehende Jury kritisierte die Verwendung des Begriffs, weil Aktivistinnen und Aktivisten mit Terroristen „gleichgesetzt und dadurch kriminalisiert und diffamiert werden“. Gewaltlose Protestformen zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands würden so in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt. Zudem verschiebe der Begriff „den Fokus der Debatte von den berechtigten inhaltlichen Forderungen der Gruppe hin zum Umgang mit Protestierenden“.

Die globale Bedrohung durch den Klimawandel gerate in den Hintergrund. Das gelte auch für die Forderung der Aktivisten, die Krise durch wirksame politische Maßnahmen zu bekämpfen. Im Vordergrund stehe vielmehr, wie mit den Protestierenden politisch und juristisch umzugehen sei.

Auf Platz zwei landete der Ausdruck „Sozialtourismus“, der es 2013 zum „Unwort“ geschafft hatte. CDU-Chef Friedrich Merz hatte das Wort im vergangenen September im Zusammenhang mit Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine verwendet und sich später dafür entschuldigt. Die Jury sah in dem Wortgebrauch „eine Diskriminierung derjenigen Menschen, die vor dem Krieg auf der Flucht sind und in Deutschland Schutz suchen“. Zudem verschleiere das Wort ihr prinzipielles Recht darauf.

Die Formulierung „defensive Architektur“ kam auf den dritten Platz. Damit bezeichnet man eine Bauweise, die vorrangig verhindert, dass Wohnungslose länger an öffentlichen Orten verweilen können – zum Beispiel auf Parkbänken. Die Jury sieht darin eine „menschenverachtende Bauweise“, der Begriff „defensive Architektur“ sei beschönigend und irreführend.

Scholz-Begriff „Zeitenwende“ Wort des Jahres 2022

Die Jury erhielt diesmal mehr als 1.400 Vorschläge, die Interessierte bis Ende Dezember vergangenen Jahres einreichen konnten. Viele bezögen sich auf Krisenthemen, erklärte Jurysprecherin und Germanistin Constanze Spieß von der Marburger Philipps Universität. Unter anderem wurden auch Begriffe wie „Spezialoperation“, „Sondervermögen“, „Hygienespaziergang“ oder „(Doppel-)Wumms“ genannt.

Die seit 1991 stattfindende „Unwort“-Wahl soll auf einen unangemessenen Sprachgebrauch aufmerksam machen und so für einen bedachten Umgang mit Begriffen sensibilisieren. In Frage kommen Worte, die gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder Demokratie verstoßen, die gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder die euphemistisch, verschleiernd oder irreführend sind. 2021 wählte die Jury den Begriff Pushback, 2020 war es die Corona-Diktatur.

Neben dem Unwort des Jahres gibt es auch das „Wort des Jahres“. Anfang Dezember erklärte die Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden den Begriff „Zeitenwende“ zum Wort des Jahres 2022. Der Begriff wurde von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verwendet, um die durch den russischen Angriffskrieg veränderte Weltlage und ihre Folgen zu beschreiben. „Der russische Überfall auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende“, sagte Scholz Ende Februar 2022. „Er bedroht unsere gesamte Nachkriegsordnung“.

Zum „Jugendwort des Jahres“ 2022 kürte der Langenscheidt-Verlag im vergangenen Oktober das Wort „Smash“. Es wird vor allem als Verb benutzt („smashen“) und bedeutet so viel wie „mit jemandem etwas anfangen“, „jemanden abschleppen“ oder auch „mit jemandem Sex haben“.

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Ralf Schmidl

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