home Panorama „Corona-Diktatur“ und „Rückführungspatenschaften“ sind Unwörter des Jahres 2020

„Corona-Diktatur“ und „Rückführungspatenschaften“ sind Unwörter des Jahres 2020

Die Unwörter des Jahres 2020 lauten „Corona-Diktatur“ und „Rückführungspatenschaften“. Dies teilte die Jury der Aktion aus Sprachwissenschaftlern und Publizisten am Dienstag in Darmstadt mit. Damit wurden zum ersten Mal in der Geschichte der Aktion zwei Unwörter des Jahres gekürt. Die Corona-Pandemie sei dominierendes Thema der 1.826 bis zum 31. Dezember 2020 eingegangenen Einsendungen mit 625 unterschiedlichen Vorschlägen gewesen, sagte eine Sprecherin. Zuvor hatte die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) „Corona-Pandemie“ zum Wort des Jahres 2020 gewählt.

Auch „Wirrologen“ und „Querdenker“ unter den Vorschlägen

Info-Box
Unwörter des Jahres
2006: Freiwillige Ausreise
2007: Herdprämie
2008: Notleidende Banken
2009: Betriebsrats-verseucht
2010: Alternativlos
2011: Döner-Morde
2012: Opfer-Abo
2013: Sozialtourismus
2014: Lügenpresse
2015: Gutmensch
2016: Volksverräter
2017: Alternative Fakten
2018: Anti-Abschiebe-Industrie
2019: Klimahysterie
2020: Rückführungs-patenschaften / Corona-Diktatur
2021: Pushback
2022: Klimaterroristen
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Als „Corona-Diktatur“ bezeichnen Gegner von Einschränkungen des öffentlichen Lebens den Staat und die Regierung. Damit setzen sie aber die demokratisch herbeigeführten Beschlüsse zur Pandemie-Bekämpfung in einen Zusammenhang mit echten Diktaturen wie dem NS-Regime oder der DDR. Der Begriff verharmlose diese und verhöhne Menschen, die inhaftiert, gefoltert oder getötet worden seien, so die Jury. Das Wort „Rückführungspatenschaften“ bezeichne einen von der EU-Kommission vorgeschlagenen Mechanismus der Migrationspolitik, bei dem EU-Mitgliedsstaaten anderen Verantwortung für Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern abnähmen. Der Begriff sei „zynisch und beschönigend“, teilte das Gremium mit. Mit Rückführung sei nicht anderes gemeint als Abschiebung und die Patenschaft sei eigentlich ein positiv besetzter Begriff.

Wie die Universität Darmstadt im Namen der Jury mitteilte, gab es zu den beherrschenden Themenbereichen aber auch weitere inhumane und unangemessene Wörter. So seien „Absonderung“, „Systemling“, „Wirrologen“ und „Grippchen“ ebenfalls zum Themakomplex der Corona-Pandemie eingegangen. Am häufigsten wurden dazu aber „systemrelevant“ (180) und „Querdenker“ (116) vorgeschlagen. Im Zusammenhang mit der Migration gab es Vorschläge wie „Abschiebepatenschaft“, „Ankerkinder“ oder „Migrationsabwehr“.

Die „Sprachkritische Aktion“ will mit dem Unwort des Jahres auf unangemessenen, verschleiernden oder diffamierenden öffentlichen Sprachgebrauch aufmerksam machen. Dabei rügt sie Wörter, die gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder der Demokratie verstoßen, die gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder die euphemistische, verschleiernde oder irreführende Formulierungen sind. Reine Schimpfwörter zählen nicht. Die Vorschläge müssen daher mindestens eines der genannten Kriterien erfüllen. Die Jury richtet sich bei ihrer Wahl daher auch nicht nach der Menge der Vorschläge für einen einzelnen Begriff.

Bisherige „Unwort“-Jury tritt nach zehn Jahren ab

Mit ihrer Doppel-Wahl wolle die Jury in diesem Jahr verdeutlichen, dass die Unwort-Wahl „keineswegs als Zensurversuch zu verstehen ist, sondern als Anlass zur Diskussion über den öffentlichen Sprachgebrauch und seine Folgen für das gesellschaftliche Zusammenleben“. Das Unwort des Jahres wird seit 1991 gekürt. 2019 wählte die Jury den Begriff „Klimahysterie“, ein Jahr zuvor war es „Anti-Abschiebe-Industrie“. Mit dem 30. Jubiläum der Unwort-Kür verabschiedet sich auch die bisherige Jury um die Darmstädter Linguistin Nina Janich, die seit zehn Jahren im Amt war. Nach dem Unwort des Jahres 2021 sucht dann ein verjüngtes Gremium, deren Sprecherin Constanze Spieß sein wird. Spieß ist Professorin für Pragmalinguistik am Institut für Germanistische Sprachwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg.