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Ukraine-Krieg: EU-Kommission legt Paket gegen Lebensmittelknappheit vor

Angesichts befürchteter Importausfälle von Getreide und Soja aus der Ukraine und Russland hat die EU-Kommission am Mittwoch Pläne für eine gesteigerte Lebensmittelproduktion in der EU vorgestellt. Die Abhängigkeit der europäischen Landwirtschaft von Energie– und Futtermittelimporten zu verringern, sei „mehr denn je eine Notwendigkeit“, teilte die Kommission in Brüssel mit. Eine Lebensmittelknappheit in der EU drohe jedoch nicht.

500 Millionen Euro für EU-Bauern

Zur Ankurbelung der Produktion plant die Kommission demnach, vorübergehend die Bewirtschaftung von Brachflächen zu gestatten, die eigentlich zur Förderung der Artenvielfalt dienen sollen. Auf diesen Flächen sollen Bauern nun vor allem Futterpflanzen wie Soja und Mais anbauen dürfen. Diese benötige man in der Tiermast. Bislang kam mehr als die Hälfte des Maises in der Europäischen Union aus der Ukraine. Nichtregierungsorganisationen und Verbände befürchten, dass damit die Ziele für eine nachhaltige Landwirtschaft untergraben werden könnten. Wie stark die Produktion durch diese Bewirtschaftung nach Ansicht der Kommission steigen könne, teilte sie nicht mit. Zudem sollen die Bäuerinnen und Bauern in der EU mit knapp 500 Millionen Euro unterstützt werden. So will man sicherstellen, dass sich steigende Preise, etwa für Dünger und Sprit, nicht auf die Ernährungssicherheit auswirken. Landwirte, die nachhaltig produzieren, sollen dabei Vorrang haben.

Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel

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Die Vorschläge der EU-Kommission sehen zudem Hilfen von 330 Millionen Euro für die Ukraine vor, um deren Landwirte bei der Aussaat von Maus und Sonnenblumenkernen sowie beim Anbau von Weizen zu unterstützen. Die Ukraine ist mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent am Welthandel einer der global größten Produzenten von Sonnenblumenöl und verfügt über erhebliche Anteile an Weizen und Gerste, was bereits vielerorts zu Preissteigerungen und Engpässen geführt hat. Wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine fürchtet die EU auch verheerende Folgen für ärmere Länder. Importeure wie Jemen, Bangladesch, Pakistan, Sudan und Nigeria seien zum Teil bereits stark von Ernährungsunsicherheit betroffen.

Die Millionenhilfe für die Bauern kommt aus EU-Geldern, eine Erweiterung durch nationale Hilfen ist möglich. Für Deutschland sind rund 60 Millionen Euro vorgesehen, nach Frankreich mit knapp 90 Millionen Euro der zweithöchste Einzelbetrag. Um Lebensmittel erschwinglicher zu machen, schlägt die Kommission den EU-Ländern zudem vor, die Mehrwertsteuer darauf zu senken. Der World Wide Fund For Nature (WWF) betonte: „Ein zentrales Problem sind vor allem die hohen Lebensmittelpreise, die insbesondere durch erhöhte Energiepreise zustande kommen.“ Deshalb sei es wichtig, das World Food Programme der Vereinten Nationen sofort mit zusätzlichen Mitteln auszustatten. Den Vorschlägen der Kommission müssen noch die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament zustimmen.

Özdemir: Kein Anlass für Hamsterkäufe

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) appellierte indes an die Bürger, angesichts des Ukraine-Kriegs und steigender Preise beim Einkauf nicht in Panik zu verfallen und womöglich unnötig Vorräte anzulegen. „Bitte keine Hamsterkäufe, dafür besteht kein Anlass. Wir haben die Versorgung sichergestellt“, so der Minister gegenüber RTL. Der Deutsche Bauernverband begrüßte das Vorhaben der EU-Kommission. Diese habe die Notwendigkeit erkannt, einer sicheren Ernährung den Vorrang zu geben. Deswegen wäre es sinnvoll, nun auch die EU-Pläne für mehr Umwelt- und Naturschutz nachzujustieren. Beispielweise sollte der Einsatz von Schädlingsbekämpfern nicht pauschal reduziert werden.

Umweltschützer und Politiker von SPD und Grünen kritisieren hingegen, dass mit der Maßnahme an den falschen Stellen angesetzt werde. Die potenziellen zusätzlichen Erträge auf den landwirtschaftlichen Flächen der EU seien global gesehen minimal. Mehr Effekt habe es, wenn man weniger Flächen für die Futter- und mehr für die Lebensmittelproduktion nutzen würde. Nach Angaben von Greenpeace werden 71 Prozent der Agrarnutzfläche in der EU dazu verwendet, Tiere zu füttern, und das längst nicht nur in Form von Weideflächen. Auf 60 Prozent des Ackerlandes in der EU baue man stattdessen Nahrung für Tiere an, hieß es.