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Taxonomie: EU-Parlament stuft Atomkraft und Gas als nachhaltig ein

Das EU-Parlament hat am Mittwoch den Weg frei gemacht, Investitionen in Erdgas und Atomkraft unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig einzustufen. Es wies einen Einspruch gegen die Verordnung der EU-Kommission zur sogenannten Taxonomie zurück. Mindestens 353 der 705 Abgeordneten hätten dagegen stimmen müssen, um das grüne Siegel für Atomkraft und Gas zu stoppen. Es sprachen sich jedoch nur 328 Parlamentarier dagegen aus, 278 votierten dafür und 33 enthielten sich der Abstimmung.

Österreich und Greenpeace kündigen Klagen an

INFO-BOX:
Taxonomie-Verordnung der EU
Die Taxonomie-Verordnung der EU (2020/852) enthält Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, um damit den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln zu können. Sie ist ein zentraler Rechtsakt, der durch Förderung privater Investitionen in grüne und nachhaltige Produkte einen Beitrag zum European Green Deal leisten soll.
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Konkret ging es bei dem Votum um einen ergänzenden Rechtsakt zur Taxonomie der EU. Diese ist ein Klassifikationssystem, das private Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten lenken und so den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen soll. Für Unternehmen ist es relevant, weil es die Investitionsentscheidungen von Anlegern beeinflussen und damit zum Beispiel Auswirkungen auf Finanzierungskosten von Projekten haben könnte. Investoren sollen zudem in die Lage versetzt werden, Investitionen in klimaschädliche Wirtschaftsbereiche zu vermeiden.

Die EU-Kommission hatte im Februar ihre Pläne vorgestellt, die beiden fossilen Energieformen Atom und Gas in die Verordnung aufzunehmen. Die seit 2020 geltende Taxonomie umfasst bisher Öko-Energien wie Wind– und Sonnenkraft. Die Mehrheit der Grünen, Sozialdemokraten und der Linksfraktion im EU-Parlament hatte im Vorfeld der Abstimmung angekündigt, gegen die Aufnahme von Atom und Gas in die Taxonomie zu stimmen. Die konservative EVP-Fraktion, zu der die deutschen Abgeordneten von CDU und CSU gehören, war gespalten. Die Umweltorganisation Greenpeace gab nach der Abstimmung bekannt, rechtliche Schritte gegen die EU-Kommission einleiten zu wollen und warf ihr „Greenwashing“ vor.

Auch Österreich will gegen die heutige Entscheidung des EU-Parlaments klagen. Man werde eine bereits vorbereitete Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einbringen, sobald dieses „Greenwashing-Programm“ in Kraft trete, kündigte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Die Grünen) an. Die heutige Entscheidung sei „weder glaubwürdig, ambitioniert noch wissensbasiert, gefährdet unsere Zukunft und ist mehr als verantwortungslos“. Luxemburg habe bereits zugesagt, die österreichische Klage zu unterstützen. Die nächsten Monate wolle man nutzen, weitere Verbündete zu gewinnen.

Frankreich treibender Akteur bei Atomkraft

Eine entscheidende Rolle bei dem Vorschlag der EU-Kommission, auch Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einzustufen, spielte Frankreich. Das Land sieht in der Atomkraft eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft. Zudem will man die Technik gerne in andere Länder exportieren. Deutschland setzte sich im Gegenzug für ein grünes Label auf Gas als Übergangstechnologie ein.

Die Umsetzung des Kommissionsvorschlags kann noch verhindert werden, wenn sich bis zum 11. Juli mindestens 20 EU-Staaten zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten. Dass eine entsprechende Mehrheit im Rat der EU zustande kommt, gilt allerdings wegen des Interesses vieler Staaten an der Nutzung von Kernkraft als nahezu ausgeschlossen.