home Politik, Wirtschaft Ehemaliger SPD-Chef Sigmar Gabriel war drei Monate Berater bei Fleischgigant Tönnies

Ehemaliger SPD-Chef Sigmar Gabriel war drei Monate Berater bei Fleischgigant Tönnies

Der frühere Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel war nach Angaben eines Medienberichts von März bis Ende Mai 2020 als Berater beim Fleischkonzern Tönnies tätig. Wie das ARD-Politikmagazin „Panorama“ berichtet, hat Gabriel dafür ein Pauschalhonorar von 10.000 Euro pro Monat sowie ein weiteres vierstelliges Honorar für jeden Reisetag erhalten. Angelegt war die Tätigkeit demnach auf zwei Jahre. Aufgrund einer Erkrankung musste Gabriel den Job jedoch frühzeitig beenden.

Gabriel musste Tönnies-Job wegen Erkrankung beenden

INFO-BOX:
Afrikanische Schweinepest
Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist eine Virusinfektion, die der Europäischen Schweinepest in Symptomen und Verlauf sehr ähnlich ist. Die Erreger sind jedoch nicht verwandt. In Deutschland ist die ASP eine anzeigepflichtige Tierseuche. Nach dem Auffinden von an ASP verendeten Wildschweinen in Belgien Anfang 2019 beschloss der Deutsche Bundestag weitere Maßnahmen für den Seuchenfall. 2020 wurde nach mehreren Funden infizierter toter Wildschweine in Polen kurz vor der deutschen Grenze in Brandenburg ein 120 Kilometer langer Schutzzaun errichtet.
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Auf Anfrage des Politikmagazins teilte der frühere SPD-Chef mit, seine privatwirtschaftlichen Tätigkeiten unterlägen keiner Veröffentlichungspflicht. Er habe bei Auskünften an Medien auch immer die Interessen Dritter zu wahren. Trotzdem bestätigte er „Panorama“, dass er im fraglichen Zeitraum für Tönnies tätig war. Er habe das Unternehmen im Rahmen von drohenden Exportproblemen im Zusammenhang mit der „Afrikanischen Schweinepest“ (siehe Info-Box) beraten. „Diese Tätigkeit musste ich aufgrund einer schwierigen Erkrankung und einer dadurch für mich notwendig gewordenen komplizierten Operation zum 31. Mai 2020 beenden“, so Gabriel in seiner Stellungnahme. Für ihn sei zum damaligen Zeitpunkt nicht ersichtlich gewesen, ob und wann er seine beruflichen Tätigkeiten wieder aufnehmen könne. Weder er noch seine Geschäftspartner sähen die frühere Beratungstätigkeit für die Firma Tönnies als problematisch an. Er habe die Anfrage des Politikmagazins „aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses im vorliegenden Fall“ beantwortet. Auch die Tönnies Holding bestätigte inzwischen das Engagement Gabriels.

Nach „Panorama“-Recherchen hatte sich Firmenchef Clemens Tönnies persönlich um die Personalie Gabriel gekümmert. Wie aus den Unterlagen, die dem Magazin vorliegen, hervorgeht, sollte der ehemalige Bundeswirtschaftsminister „seine weiten Kontakte für die Tönnies Gruppe zur Verfügung stellen und aktiv Projekte begleiten“. Dabei sei es insbesondere um den chinesischen Markt gegangen. Unter anderem sollte Gabriel neue Transportmöglichkeiten mit der Eisenbahn nach China eruieren und die Verhandlungen im Falle eines Ausbruchs der „Afrikanischen Schweinepest“ mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium und China führen. Tönnies steht massiv unter Druck, seit es am Hauptstandort des Fleischkonzerns in Rheda-Wiedenbrück einen massiven Corona-Ausbruch gegeben hatte. Der Betrieb musste vorübergehend schließen. Außerdem ordneten die Behörden einen erneuten Lockdown für die Kreise Gütersloh und Warendorf an, was zu Protesten der Bevölkerung führte. Vor diesem Hintergrund trat Clemens Tönnies auch vor wenigen Tagen als Aufsichtsratsvorsitzender des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 zurück.

Scharfe Gabriel-Kritik 2015: „Schande für Deutschland“

Anfang 2015 hatte Gabriel noch als Wirtschaftsminister das System der Ausbeutung in der deutschen Fleischindustrie als „Schande für Deutschland“ bezeichnet. Dabei ging es vor allem um die oft desolaten Arbeits- und Wohnbedingungen der osteuropäischen Werkvertragsarbeitnehmer. Laut „Panorama“ besuchte Gabriel daraufhin das Tönnies-Werk in Rheda-Wiedenbrück und sei vom Chef persönlich durch die Produktion geführt worden. In Folge der Diskussion einigten sich die sechs größten Fleischkonzerne unter Federführung von Gabriel und Tönnies auf eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Einhaltung sozialer Standards. Die Initiative blieb allerdings weitgehend wirkungslos. Allein beim Tönnies-Konzern war 2018 nach eigenen Angaben die Hälfte der dort Beschäftigten noch über Subunternehmen tätig. Auch die Wohnsituation der Werkvertragsarbeitnehmer hat sich nicht entscheidend verbessert.