home Politik Verbrechen während der Kolonialzeit: Namibia lehnt deutsches Entschädigungsangebot ab

Verbrechen während der Kolonialzeit: Namibia lehnt deutsches Entschädigungsangebot ab

Namibias Präsident Hage Geingob hat ein Entschädigungsangebot der Bundesregierung über zehn Millionen Euro zur Wiedergutmachung der Kolonialverbrechen in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika abgelehnt. Die von Deutschland vorgeschlagenen Entschädigungen seien für seine Regierung „nicht akzeptabel“, schrieb Geingob in einem Statement auf Facebook. Er habe seinen Sondervermittler Zed Ngavirue damit beauftragt, die Verhandlungen mit der Bundesregierung fortzusetzen, um ein „überarbeitetes Angebot“ zu erzielen.

Erster Völkermord des 20. Jahrhunderts

INFO-BOX:
Deutsch-Südwestafrika
Deutsch-Südwestafrika war mit einer Fläche von 835.100 km² ungefähr anderthalbmal so groß wie das Deutsche Kaiserreich. Es war die einzige der deutschen Kolonien, in der sich eine nennenswerte Anzahl deutscher Siedler niederließ. Im Ersten Weltkrieg wurde das Gebiet 1915 von Truppen der Südafrikanischen Union erobert. Das endgültige Ende Deutsch-Südwestafrikas wurde mit dem Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919 besiegelt.
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Deutschland und Namibia verhandeln bereits seit 2015 über finanzielle Zahlungen und eine Entschuldigung für die Verbrechen an den Volksgruppen der Herero und Nama im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika. Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im heutigen Namibia und schlug damals die Aufstände beider Volksgruppen brutal nieder. Historikern zufolge wurden von einer rund 15.000 Soldaten umfassenden Streitmacht unter Generalleutnant Lothar von Trotha rund 65.000 der 80.000 Herero und mindestens 10.000 der 20.000 Nama getötet. Die Wissenschaftler bewerten die Massaker als ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Derzeit wird die Aufarbeitung der Gräueltaten während der Kolonialzeit in Namibia wie so vieles durch die Coronakrise verzögert. Zum genauen Inhalt des deutschen Angebots wollten sich weder die Regierung in Windhoek noch die Bundesregierung äußern.

Strittig ist unter anderem die Bezeichnung der Entschädigungen als Reparationen. Geingob erklärte, die Bundesregierung lehne die Verwendung des Begriffs weiterhin mit der Begründung ab, dass dieser auch bei den Verhandlungen Berlins mit der israelischen Regierung über Wiedergutmachungen für Holocaust-Opfer vermieden worden sei. Stattdessen wolle man von der Aufgabe sprechen, „Wunden zu heilen“. Diese Formulierung sei für das namibische Verhandlungsteam aber unzureichend. Übereinkunft habe man in der Frage des Wortlauts der Entschuldigung erzielt. Diese wolle die deutsche Regierung „bedingungslos“ an die namibische Regierung, ihr Volk und die betroffenen Gemeinden richten. Hinsichtlich der Entschädigungen schrieb Geingob via Twitter, man werde beim Abschluss dieser Schlüsselmission konsequent bleiben.

Namibia will in Bildung und Wasserversorgung investieren

Bis Ende des Monats soll nun ein eingesetzter Berater der namibischen Regierung förderungswürdige Projekte in sieben Regionen des Landes präsentieren. In diese sollen die deutschen Zahlungen fließen. So wollen die namibischen Behörden unter anderem in die Wasserversorgung, Elektrifizierung von Landgebieten, Bildung sowie den Straßen- und Wohnungsbau investieren. Ruprecht Polenz, Verhandlungsführer der deutschen Seite, sagte am Mittwoch, er sei zuversichtlich, dass die Gespräche erfolgreich zu Ende gebracht werden können. Bereits im Juni hatte Polenz erklärt, an die Entschuldigung sollten sich längerfristige und substanzielle Beiträge knüpfen. So wolle man versuchen, noch vorhandene Wunden bei den Herero und Nama zu heilen und Benachteiligungen dieser Volksgruppen zu lindern.