home Politik Bundesanwaltschaft: Deutscher Politologe wegen mutmaßlicher China-Spionage festgenommen

Bundesanwaltschaft: Deutscher Politologe wegen mutmaßlicher China-Spionage festgenommen

Wegen mutmaßlicher Spionage für China hat die Bundesanwaltschaft am Montag einen deutschen Politologen festnehmen lassen. Bereits im Mai sei am Oberlandesgericht (OLG) München Anklage gegen Dr. Klaus L. erhoben worden, teilte die Behörde am Dienstag mit. Der Angeklagte soll nach Informationen des „ARD-Hauptstadtstudios“ jahrzehntelang für den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) und nebenbei für China spioniert haben. Öffentlich soll er zudem Mitarbeiter der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung gewesen sein, berichtet die „Tagesschau“.

Neun Jahre für China spioniert

Der 75-Jährige soll zwischen Juni 2010 und November 2019 dem chinesischen Geheimdienst im Vorfeld oder Nachgang von Staatsbesuchen oder multinationalen Konferenzen sowie zu bestimmten Fragestellungen regelmäßig Informationen beschafft haben. Demnach seien chinesische Geheimdienstmitarbeiter erstmal im Juni 2010 während einer Vortragsreise nach Shanghai an den Angeklagten herangetreten, um ihn für eine Mitarbeit zu gewinnen. In den Folgejahren soll L. bei hochrangigen politischen Ansprechpartnern, zu denen er als Mitarbeiter einer politischen Stiftung Kontakt hatte, Informationen eingeholt haben. Zudem betrieb er seit 2001 einen international bedeutenden Thinktank. Als Gegenleistung wurden dem Angeklagten laut Bundesanwaltschaft die Reisen zu den jeweiligen Treffen mit den chinesischen Nachrichtendienstmitarbeitern einschließlich einen Rahmenprogramms finanziert. Zusätzlich habe L. ein Honorar erhalten.

Thinktank Tarneinrichtung für BND?

INFO-BOX:
Hanns-Seidel-Stiftung
Die Hanns-Seidel-Stiftung geht auf Planungen der CSU im Jahr 1964 zurück, eine eigene Einrichtung für politische Bildung zu schaffen. Am 7. November 1966 fand in München die Gründungsversammlung mit 21 der CSU nahe stehenden Personen statt. Aufgabe der Stiftung ist die staatsbürgerliche Bildung sowie die politische und sozialgesellschaftliche Forschung.
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Dabei hat der Angeklagte offenbar ein Doppelleben geführt. Schon 2020 hatte die ARD darüber berichtet, dass L. zum Zeitpunkt seiner Pensionierung das Referat für internationale Sicherheitspolitik bei der Hanns-Seidel-Stiftung geleitet haben soll. Für diese arbeitete er bereits sei Beginn der 1980er-Jahre. Parallel dazu belieferte er offenbar jahrzehntelang den BND mit Informationen und erhielt dafür Geld. Dem Bericht nach soll L. in der früheren BND-Zentrale in Pullach bei München „ein und aus“ gegangen sein und über „exzellente Kontakte bis in die BND-Führungsebene“ verfügt haben.

Nach seiner Pensionierung wurde der Angeklagte nach damaligen ARD-Recherchen Direktor eines eigens gegründeten Thinktanks, dem „Institut für transnationale Studien“. Dieses betrieb er sowohl von seinem Haus in Landshut aus, vor allem aber in einem Anwesen in Südtirol, das auch über Seminarräume verfügte. Der BND soll dabei bei Veranstaltungen mit internationalen mit internationalen Referenten „immer mit am Tisch“ gesessen und die Gäste „abgeschöpft“ haben. Ob es sich bei dem Institut um eine Tarneinrichtung des BND handelte, wollte der Nachrichtendienst nicht beantworten. Auch die Hanns-Seidel-Stiftung betonte im vergangenen Jahr, „keinerlei Kenntnis“ von den Vorgängen gehabt zu haben. „Ein möglicher Mussbrauch durch nachrichtendienstliche Aktivitäten ist für uns absolut inakzeptabel“.

OLG München hebt Haftbefehl auf

Bereits im November 2019 hatten Ermittler nach ARD-Angaben das Haus des Beschuldigten durchsucht und dabei Datenträger und Computer beschlagnahmt. Dass der 75-Jährige erst jetzt angeklagt wird, zeigt, wie schwierig der Sachverhalt ist. Dass L. für die Chinesen spionierte, soll er den Ermittlern gegenüber gar nicht bestritten haben. Vielmehr habe er den BND von dem chinesischen Anwerbeversuch unterrichtet und dafür sogar Unterstützung erhalten. Später machte er das Ausmaß der Zusammenarbeit dem deutschen Nachrichtendienst jedoch nicht mehr bekannt. L. wurde heute in München dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts vorgeführt. Dieser setzte den Haftbefehl gegen den Beschuldigten außer Vollzug. Der Angeklagte bleibt somit bis Prozessbeginn auf freiem Fuß.