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Russischer Gasgigant Gazprom gibt deutsche Tochter auf

Der russische Gaskonzern Gazprom gibt seine deutsche Tochter Gazprom Germania auf. Das Unternehmen teilte am Freitag auf seinem Telegram-Kanal mit, sich aus der Gazprom Germania GmbH und deren Beteiligungen, darunter die Firma Gazprom Marketing & Trading, zurückzuziehen. Nähere Angaben machte der Gasriese nicht, von Gazprom Germania war bisher keine Stellungnahme zu erhalten.

Bundesregierung prüft Verstaatlichung oder Enteignung

INFO-BOX:
Gazprom
"Gazprom" ist die Abkürzung für Gasindustrie und war früher der Geschäftsbereich Gasförder- und Gastransportindustrie des Ministeriums für Erdöl- und Gaswirtschaft der UdSSR. 1989 wurde die Behörde im Zuge der Perestrojka in den russischen Staatskonzern Gazprom umgewandelt. Seit 1992 ist dieser eine Aktiengesellschaft. Gazprom ist das weltweit größte Erdgasförder-unternehmen und mit rund 475.000 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber Russlands. Der Sitz des Unternehmens befindet sich in Moskau.
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Der russische Mutterkonzern war bisher alleiniger Eigentümer von Gazprom Germania. Zu den Beteiligungen des deutschen Ablegers gehören auch Töchter in der Schweiz und in Tschechien. Geschäftsfelder von Gazprom Germania sind der Handel, Transport und die Speicherung von Erdgas. Welche Konsequenzen die heutige Ankündigung für die Lieferungen von Gas von Russland nach Deutschland hat, ist bisher ebenso unklar wie die Hintergründe, die zu dieser Entscheidung geführt haben. Jedoch wurde am Donnerstag bekannt, dass die Bundesregierung offenbar verschiedene Szenarien für den Fall durchspielt, sollten die deutschen Töchter russischer Staatskonzerne in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Wie das „Handelsblatt“ berichtete, geht es dabei um die Möglichkeiten der Verstaatlichung oder gar Enteignung der deutschen Töchter der Energieriesen Gazprom und Rosneft. Die Regierung wolle damit einer massiven Beeinträchtigung der Energieversorgung insbesondere in Ostdeutschland vorbeugen.

Zwar seien die Energiekonzerne von den beschlossenen Sanktionen ausgenomme. Banken und Geschäftspartner gingen jedoch immer mehr auf Distanz zu Unternehmen mit russischen Eigentümern. Dadurch sei die Gefahr eines „technischen Konkurses“ nicht mehr von der Hand zu weisen, zitierte das Blatt einen Insider. Gazprom ist mit einem Anteil von rund 40 Prozent maßgeblich an der deutschen Gasversorgung beteiligt. Käme es zu einem Zusammenbruch, hätte dies massive Auswirkungen auf die deutsche Energieversorgung. Rosneft hingegen steht für 25 Prozent des deutschen Raffineriegeschäfts. Der Konzern ist hierzulande das drittgrößte Unternehmen in der Mineralölverarbeitung mit Raffinerien in Schwedt, Karlsruhe und Neustadt an der Donau. Laut „Handelsblatt“ prüft das Bundeswirtschaftsministerium seit Wochen, wie sich der Weiterbetrieb der Raffinerie in Schwedt im Falle eines Ausstiegs von Rosneft gewährleisten lasse. Diese versorgt den Großraum Berlin/Brandenburg mit Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin.

Gazprom langjähriger Sponsor von Schalke 04

Die 1990 gegründete Gesellschaft Gazprom Germania verfügt über ihre Tochter Astora über Gasspeicher in Deutschland und Österreich. Diese besitzen eine Kapazität von insgesamt sechs Milliarden Kubikmetern. Angesichts der explodierenden Gaspreise hatte der Bundestag kürzlich ein Gesetz beschlossen, wonach die Gasspeicher in Deutschland im Winter gut gefüllt sein müssen. Damit sollen steigende Preise durch eine künstliche Verknappung vermieden werden. Bekannt wurde Gazprom hierzulande auch durch die langjährige Partnerschaft mit dem Fußball-Bundesligisten Schalke 04. Diese hatte der Verein als Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine Ende Februar vorzeitig beendet.