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Studie: Zu frühe Einschulung kann ADHS-Risiko erhöhen

Kürzlich sorgte eine Studie über ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) für Aufsehen. Für die Studie hat das Forscherteam des Versorgungsatlasses, einem Studienportal des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung, Abrechnungs- und Arzneiverordnungsdaten von sieben Millionen Kindern und Jugendlichen aus den Jahren 2008 bis 2011 ausgewertet. Experten beurteilen die Ergebnisse der Datenanalyse unterschiedlich, aber wiederholt kommt die Krankheit ADHS – auch als Zappelphilipp-Syndrom bezeichnet – ins Gerede.

Frühzeitiges Einschulen kann ADHS begünstigen

Von Kindern, die erst kurz vor dem Einschulungsstichtag sechs Jahre alt wurden, wurden 5,3 Prozent im Laufe der nächsten Jahre mit ADHS diagnostiziert, hingegen waren es 4,3 Prozent bei den rund ein Jahr älteren Kindern. Dieser geringe Altersunterschied und das eventuell frühzeitige Einschulen eines Kindes können gravierende Folgen haben. Die Forscher schreiben, dass ihre Studie zeige, dass die traditionelle Einschulungspolitik mit fixen Stichtagen für die Schulpflicht auf die Diagnosehäufigkeit psychischer Erkrankungen bei Kindern Einfluss nehmen könne. Mitunter kommt es zu einem deutlichen Anstieg der Diagnose von ADHS bei jüngeren Kindern.

Experten: Inflation von ADHS-Diagnosen

INFO-BOX
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), die auch als Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom oder Hyperkinetische Störung (HKS) bezeichnet wird, ist eine bereits im Kindesalter beginnende psychische Störung.
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Der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Professor Tobias Banaschewski erklärte, die Aufmerksamkeitsfähigkeit und Fähigkeit zur Impulskontrolle seien entwicklungsabhängig. Jüngere Kinder hätten daher bezogen auf ihre ungefähr ein Jahr älteren Klassenkameraden durchschnittlich eine weniger lange Aufmerksamkeitsspanne – soweit hält er die Hypothese der Studienautoren für plausibel. Allerdings dürfe man die Ergebnisse nicht als Beleg dafür interpretieren, dass die jüngeren Kinder komplett unauffällig wären und es sich um reine Fehldiagnosen handele. Kritischer äußerte sich der Kinder- und Jugendpsychiater Martin Holtmann von der LWL-Universitätsklinik Hamm gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. Er bezweifelte, dass wirklich alle Diagnosen bei den jungen Kindern stimmen würden. Wahrscheinlicher sei, dass die Kinder aufgrund ihrer relativen Unreife im Klassenverband eher negativ auffallen würden.

Andere Kritiker finden noch deutlichere Worte. Ulrike Lehmkuhl, Direktorin der Kinderklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité äußerte sich 2012 zum Thema in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. So sieht sie seit etwa zehn Jahren eine Inflation von ADHS-Diagnosen. Dass sich das Syndrom tatsächlich ausbreitet, hält sie jedoch für unwahrscheinlich: Es sei schließlich kein Virus. In Fachkreisen gilt die Krankheit vermehrt als fabriziert. Ein schwieriges Kind muss nicht immer gleich ADHS haben, vielmehr gibt es Gründe für die Auffälligkeit: Eltern, die zu viel arbeiten, ein nicht intaktes Familiengefüge, überforderte Lehrer, zu viel Fernsehen und Langeweile. Wenn aber ein schwieriges Kind für krank erklärt wird, braucht sich niemand verantwortlich zu fühlen und die Verantwortung wird ausgelagert.

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Ralf Schmidl

Als Politologe und Online-Redakteur kümmert sich Ralf auf News-Mag in erster Linie um die Bereiche Politik und Wirtschaft. Aber auch zu Lifestyle-Themen wie Smart Living, Car-Trends oder Verbraucherschutz steuert er regelmäßig Artikel auf News-Mag bei.

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