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Corona: Deutscher Staatshaushalt rutscht mit 81 Milliarden Euro ins Minus

Milliardenschwere staatliche Ausgaben in der Corona-Pandemie haben den deutschen Staatshaushalt im ersten Halbjahr tief ins Minus gerissen. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen gaben in den ersten sechs Monaten dieses Jahres insgesamt 80,9 Milliarden Euro mehr aus als sie einnahmen. Das teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag anhand vorläufiger Daten mit. Bezogen auf die Gesamtwirtschaftsleistung lag das Defizit bei 4,7 Prozent. Damit ist es das zweithöchste Minus in einer Jahreshälfte seit der Wiedervereinigung. Nur 1995 war dieses höher, als die Treuhandschulden in den Staatshaushalt übernommen wurden.

Bundesbank erwartet 2021 Defizit von mehr als fünf Prozent

Vor einem Jahr hatte das Minus im ersten Halbjahr noch bei 47,8 Milliarden Euro gelegen. Tatsächlich sind in den ersten beiden Quartalen 2021 die Ausgaben des Staates um 6,9 Prozent auf 879,2 Milliarden Euro gestiegen. Die Einnahmen, beispielsweise aus Steuern, legten hingegen nur um 3,1 Prozent auf 798,3 Milliarden Euro zu. Das größte Minus ergab sich beim Bund mit 67 Milliarden Euro. Es fiel mehr als Doppelt so hoch aus wie im Vorjahreszeitraum.

Ursachen für den massiven Anstieg sind in erster Linie die Corona-Überbrückungshilfen, die Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser, für Impfstoffe und Schutzausrüstung (z.B. Masken) sowie für Kurzarbeitergeld und Kinderbonus. „Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie belasten die Staatsfinanzen weiterhin stark“, sagte Stefan Hauf vom Statistikamt. Auch im Gesamtjahr dürfte der deutsche Staat wie schon 2020 wieder tiefrote Zahlen schreiben, nachdem zuvor jahrelang ein Überschuss gelungen war. Die Bundesbank rechnet mit einem Defizit von mehr als fünf Prozent. Für das kommende Jahr erwartet sie jedoch eine deutliche Verbesserung.

Wirtschaft legt im zweiten Quartal um 1,6 Prozent zu

INFO-BOX:
Statistisches Bundesamt
Das Statistische Bundesamt wurde 1948 gegründet. Es erhebt, sammelt und analysiert statistische Informationen zu Wirtschaft, Gesellschaft sowie Umwelt und erstellt daraus tagesaktuelle amtliche Statistiken. Sein Hauptsitz befindet sich in Wiesbaden, eine Zweigstelle in Bonn.
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Gute Nachrichten kommen hingegen aus der Wirtschaft. Diese nahm nach dem Einbruch während des Corona-Lockdowns zu Jahresbeginn im zweiten Quartal wieder Fahrt auf. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im Zeitraum von April bis Juni um 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Verglichen mit dem letzten Vor-Corona-Quartal (4/2019) war die Wirtschaftsleistung aber noch um deutliche 3,3 Prozent geringer. Vor allem die Konsumlust der Verbraucher nach dem Ende des Corona-Lockdowns und staatliche Konsumausgaben schoben die Konjunktur an. „Der Aufschwung hat Tritt gefasst“, schrieb Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf Twitter. „In 2021 & 2022 wächst unsere Wirtschaft kräftig. Wir werden besser & nachhaltiger sein, als zuvor“.

Nach Auffassung von Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des IMK-Instituts, werden sich die Staatsausgaben absehbar wieder normalisieren. Bei den Einnahmen habe bereits eine Trendwende eingesetzt. So würden die Einnahmen aus Steuern und Sozialabgaben bereits wieder kräftig steigen, obwohl die erste Jahreshälfte immer noch von Kontaktbeschränkungen und erzwungenen Betriebsschließungen im Einzelhandel und der Gastronomie gekennzeichnet gewesen sei. „2022 wird das Defizit deshalb spürbar geringer ausfallen als im laufenden Jahr“, so Dullien.

Politiker wollen nach Wahl an der Steuerschraube drehen

Ungeachtet der fragilen Lage wollen viele Politiker nach der anstehenden Bundestagswahl im September an der Steuerschraube drehen, um dem Staat mehr Einnahmen zu verschaffen. So wollen SPD, Grüne und Linkspartei die Vermögenden stärker belasten. Union und FDP setzen dagegen auf mehr Wachstum. Die Liberalen versprechen sogar konkrete Steuersenkungen. Auch die Union will Entlastungen, sobald es dafür finanzielle Spielräume gibt, wie sie in ihrem Wahlprogramm schreibt. Wegen des hohen Defizits muss Deutschland im Übrigen derzeit keinen Ärger aus Brüssel fürchten. Die EU-Staaten hatten wegen der Corona-Krise erstmals die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts vorübergehend ausgesetzt. Nach diesen darf das Haushaltsdefizit nicht über drei Prozent und die Gesamtverschuldung nicht über 60 Prozent des BIP liegen.