home Wirtschaft SAP kassiert erneut Prognose – Aktienkurs bricht um mehr als ein Fünftel ein

SAP kassiert erneut Prognose – Aktienkurs bricht um mehr als ein Fünftel ein

Der Walldorfer Software-Riese SAP kappt wegen der anhaltenden Corona-Krise zum zweiten Mal in diesem Jahr seine Prognose für das laufende Jahr. Auch die mittelfristigen Ziele könne man nicht mehr halten, so der Konzern. Die Nachfrage habe sich weniger gut entwickelt als erwartet. Die Anleger reagierten hektisch. Die Aktie des wertvollsten deutschen Unternehmens verlor binnen Minuten fast 21 Prozent ihres Wertes. Damit schrumpfte der SAP-Börsenwert um etwa 31 Milliarden Euro. Dies ist beispielsweise mehr, als die gesamte Marktkapitalisierung des Rückversicherers Münchener Rück ausmacht.

„Wir sind an einem Wendepunkt“

INFO-BOX:
SAP
Die SAP Systemanalyse und Programmentwicklung GbR wurde 1972 von den fünf ehemaligen IBM-Mitarbeitern Claus Wellenreuther, Hans-Werner Hector, Klaus Tschira, Dietmar Hopp und Hasso Plattner in Weinheim gegründet. Sie entwickelten Programme, die als Realtime-Software die Lohnabrechnung und Buchhaltung per Großrechner ermöglichten. 1976 zog SAP nach Walldorf um. Nach Umsatz ist SAP heute das größte europäische börsennotierte Softwareunternehmen. 2018 beschäftige der Konzern weltweit rund 96.000 Mitarbeiter.
mehr dazu
Inzwischen geht der weltgrößte Anbieter von Unternehmenssoftware davon aus, dass sich die Corona-Pandemie „voraussichtlich mindestens bis zur ersten Jahreshälfte 2021“ negativ auswirken wird. Daher müsse man die Erwartungen nach unten schrauben und auf deutlich schwierigere Jahre einstellen, gab der seit April alleinige Unternehmenschef Christian Klein am Montag in einer Telefonkonferenz bekannt. Konkret rechnet SAP nun mit einem währungsbereinigten Betriebsergebnis zwischen 8,1 und 8,5 Milliarden Euro. Bisher war man von rund 8,7 Milliarden Euro für das laufende Jahr ausgegangen. Der Umsatz werde sich im Rahmen zwischen 27,2 und 27,8 Milliarden Euro bewegen, nach zuvor prognostizierten 27,8 bis 28,5 Milliarden Euro. Im Gesamtjahr 2019 waren es 27,6 Milliarden Euro. Der Walldorfer Konzern will die Krise nun nutzen, um den Wandel hin zu einem Cloud-Anbieter zu beschleunigen und sich weiter vom traditionellen Geschäft mit Softwarelizenzen zu entfernen. „Wir sind an einem Wendepunkt“, so Klein.

SAP hatte lange Zeit die Bedeutung der Cloud-Infrastruktur unterschätzt. Durch milliardenschwere Zukäufe wollte man in den vergangenen Jahren endlich im Cloud-Segment zulegen. Doch nun müssen die zugekauften Unternehmen integriert werden. Schließlich lautet ein zentrales SAP-Versprechen, dass Kunden ohne aufwendige Anpassungen Daten austauschen und Prozesse automatisieren können. Zudem werden nun auch eigene Kernprogramme als Cloud-Versionen angeboten. Nach und nach sollen dann immer mehr Bestandskunden der SAP-Kernsoftware zur Unternehmenssteuerung von Cloud-Angeboten überzeugt werden. Allerdings wird ein starkes Wachstum des Cloud-Segments auf die operative Marge drücken. Ex-CEO Bill McDermott hatte den Anlegern 2023 ein bereinigtes Ebit von 34 Prozent und damit fünf Prozent mehr als noch 2018 versprochen. Daraus wird nun nichts. „Ich opfere den Erfolg unserer Kunden nicht der kurzfristigen Optimierung unserer Marge“, sagte Klein am Montag. Finanzchef Luka Mucic ergänzte, das Management steuere das Unternehmen nicht nach der operativen Marge. Vielmehr wolle man „ein Wachstumsunternehmen bleiben“.

SAP-Cloud-Geschäft soll bis 2025 auf 85 Prozent wachsen

Man wolle nun einen dreistelligen Millionenbetrag in die Hand nehmen und sein Angebot an Cloud-Diensten verbessern. Dies sei auch im Sinne der Kunden, die verstärkt Software aus der Cloud zur Nutzung über das Internet nachfragten. Allerdings sind Cloud-Verträge erst mit längerer Laufzeit so lukrativ wie Softwarelizenzen gegen hohe Einmalbeträge. Dennoch halten Analysten den Kurswechsel bei SAP für den richtigen Weg. „Ich glaube, es ist eine gute Idee, um für den Wandel zur Cloud einen Rückschlag für die Marge hinzunehmen. Die Pandemie rechtfertigt diesen Schritt mit Sicherheit“, sagte Josh Greenbaum von EAConsult. Bis 2025 soll der Anteil des Cloud-Geschäfts nach SAP-Angaben bei 85 Prozent liegen. Dann will man mehr als 36 Milliarden Euro erlösen und ein Betriebsergebnis von mehr als 11,5 Milliarden Euro erzielen. Dazu soll auch die Kundenmanagement-Plattform Qualtrics ihren Beitrag leisten. Die Vorbereitungen für den Börsengang der Tochter in den USA seien bereits weit fortgeschritten, sagte Finanzchef Mucic.