home Politik 47,5 Milliarden Euro: Großbritannien will EU-Brexit-Rechnung nicht akzeptieren

47,5 Milliarden Euro: Großbritannien will EU-Brexit-Rechnung nicht akzeptieren

Der Ausstieg aus der Europäischen Union (EU) kommt Großbritannien offenbar teurer zu stehen als erwartet. Die Regierung in London müsse der EU im Rahmen der Brexit-Austrittsvereinbarung (siehe auch Info-Box) 47,5 Milliarden Euro zahlen. Dies geht aus dem EU-Haushaltsbericht für 2020 hervor. Die Gesamtsumme ist damit höher als ursprünglich angenommen. Die unabhängige britische Haushaltsbehörde OBR hatte im März 2018 den Betrag auf 41,8 Milliarden Euro geschätzt.

6,8 Milliarden Euro noch in diesem Jahr fällig

Der Widerspruch aus London folgte prompt. „Wir erkennen diese Summe nicht an“, so ein Regierungssprecher. Man gehe weiterhin von Nettokosten in Höhe von 35 bis 39 Milliarden Pfund (etwa 40 bis 45 Milliarden Euro) aus. Bei der kolportierten EU-Zahl handele es sich vielmehr um eine interne Schätzung für Rechnungslegungszwecke. „Zum Beispiel wird nicht die Summe widergespiegelt, die dem Vereinigten Königreich geschuldet wird. Das reduziert den Betrag, den wir zahlen“, sagte der Sprecher von Premier Boris Johnson.

Aus Brüssel hieß es im Gegenzug, der Finanzbericht mit dem Rechnungsendbetrag in Höhe von 47,5 Milliarden Euro sei endgültig. „Die Berechnungen wurden im Einklang mit den Bestimmungen des Austrittsabkommens durchgeführt“, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission am Freitag. Von dem Betrag müsse Großbritannien im laufenden Jahr noch 6,8 Milliarden Euro zahlen. Die erste Rate davon habe man bereits erhalten. Die Kommission habe derzeit absolut keine Hinweise darauf, dass die EU-Kalkulationen von britischer Seite infrage gestellt würden.

Briten sollten ursprünglich sogar 100 Milliarden Euro zahlen

INFO-BOX:
Austrittsabkommen
EU-Großbritannien
Das Austrittsabkommen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien wurde am 17. Oktober 2019 beschlossen. Den vollständigen Text des Abkommens sowie Fragen und Antworten hierzu können Sie mit einem Klick auf „mehr dazu“ einsehen.
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Der Streit um die Austrittsrechnung gehörte zu den schwierigsten Punkten bei den Brexit-Verhandlungen. Die EU forderte zwischenzeitlich sogar 100 Milliarden Euro von Großbritannien für den Austritt. Mit dem Geld sollten die Briten für Verpflichtungen geradestehen, die sie während ihrer Mitgliedschaft in der EU eingegangen waren. Dazu gehören Rückstellungen für die Pensionen der EU-Beamten ebenso wie zugesagte Beiträge zu mehrjährigen Förderprogrammen, vor allem im Rahmen der europäischen Strukturförderung, aber auch Forschungsprogramme, berichtet die „F.A.Z“.

Im Brexit-Vertrag selbst hatten die EU und Großbritannien keine genaue Summe verankert. Beide Seiten vereinbarten nur, wie sie die britischen Verpflichtungen berechnen wollen. Die jetzt genannte Summe sei sicherlich mehr, als man im Vereinigten Königreich erwarten wollte, sagte Iain Begg, Professor am European Institute der London School of Economics gegenüber der Zeitung. „Ohne Zweifel wird das Kritik von einigen besonders euroskeptischen Abgeordneten und Kommentatoren provozieren“, fügte er hinzu. Der Anstieg der Summe werde durch die leichte Pfund-Aufwertung der vergangenen Monate sogar noch etwas gedämpft.

Premier Johnson will „Global Britain“

Vor fünf Jahren entschied sich eine knappe Mehrheit britischer Wähler in einem Referendum für den Austritt Großbritanniens aus der EU. Im Januar vergangenen Jahres wurde der Austritt vollzogen. Allerdings blieb das Land im Rahmen einer Übergangsphase noch bis zum 31. Dezember 2020 im EU-Binnenmarkt und zahlte in dieser Zeit auch noch in den EU-Haushalt ein. Wohin die Briten nach dem Abschied von Europa aufbrechen wollen, ist indes immer noch unklar. Premier Johnson sprach bei der Verabschiedung des Handelsabkommens zwischen der EU und Großbritannien im April vom Aufbau eines „Global Britain“, einem starken und unabhängigen Königreich. Der ehemalige britische Brexit-Beauftrage David Frost sah das Abkommen als „Kooperation zwischen souveränen Gleichgestellten“.