home Politik, Wirtschaft Bundesverfassungsgericht: „Containern“ bleibt weiterhin strafbar

Bundesverfassungsgericht: „Containern“ bleibt weiterhin strafbar

Das Retten von Lebensmitteln vor dem Wegwerfen („Containern“) kann strafbar sein. Eine solche Strafbarkeit sei nicht grundgesetzwidrig, entschied das Bundesverfassungsgericht am Dienstag. Der Gesetzgeber dürfe das zivilrechtliche Eigentum grundsätzlich auch an wirtschaftlich wertlosen Dingen strafrechtlich schützen. Eine Verfassungsbeschwerde von zwei Studentinnen aus Oberbayern nahm das Verfassungsgericht nicht zur Entscheidung an (Az.: 2 BvR 1985/19, 2 BvR 1986/19). Die Klägerinnen waren beim Containern erwischt und zu je acht Sozialstunden sowie einer Geldstrafe von 225 Euro auf Bewährung verurteilt worden.

Entkriminalisierung: Hamburger Initiative scheiterte 2019

Die jungen Frauen hatten im Juni 2018 nachts in Olching bei München Obst, Gemüse und Joghurt aus dem Müllcontainer eines Supermarkts geangelt. Sie wollten mit ihrer Aktion dagegen protestieren, dass Geschäfte massenweise Lebensmittel wergwerfen, obwohl diese noch genießbar seien. Weil der Container verschlossen zur Abholung bereitstand, wertete das Amtsgericht Fürstenfeldbruck die Aktion um Januar vergangenen Jahres als Diebstahl. Im Oktober 2019 bestätigte das Bayerische Oberste Landesgericht das erstinstanzliche Urteil. Daraufhin legten die Studentinnen Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung ein. Unterstützung erhielten sie dabei von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Ihrer Ansicht nach verstoße die Strafbarkeit des Containerns gegen das Übermaßverbot. Dieses Verbot verbietet der öffentlichen Verwaltung, unverhältnismäßige Maßnahmen zu ergreifen, in diesem Fall also das Urteil gegen die jungen Frauen.

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Urteil
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Dem widersprach das Bundesverfassungsgericht heute. Die Auslegung der Fachgerichte verstoße weder gegen das Willkürverbot noch sei ihre Beweisführung verfassungsrechtlich zu beanstanden. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und insbesondere das Ultima-Ratio-Prinzip gebieten demnach keine Einschränkung der Strafbarkeit. Das Gericht gab der Politik aber gleichzeitig Hausaufgaben auf. Es sei grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, den Bereich strafbaren Handelns verbindlich festzulegen. Das Bundesverfassungsgericht könne diese Entscheidung nicht darauf prüfen, ob der Gesetzgeber die „zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung“ gefunden hat. Der Gesetzgeber habe Initiativen zur Entkriminalisierung des Containerns aber bisher nicht aufgegriffen. Containern als Mittel im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung ist seit langem politisch umstritten. Zuletzt war im Sommer 2019 auf der Justizministerkonferenz der Länder ein Vorschlag Hamburgs gescheitert, Containern straffrei zu stellen.

18 Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich verschwendet

Die GFF zeigte sich vom heutigen Urteil erwartungsgemäß enttäuscht. Die Nichtregierungsorganisation hat sich zum Ziel gesetzt, Grund- und Menschenrechte vor Gericht einzuklagen. Nach Auffassung der GFF hat sich das Strafrecht auf Verhalten zu beschränken, das dem geordneten Zusammenleben schadet. Das Retten weggeworfener Lebensmittel sei dagegen nicht sozialschädlich – im Gegenteil. „Die Entscheidung zeigt, dass die Politik endlich tätig werden muss. Es widerspricht dem erklärten Ziel der Bundesregierung, Lebensmittelverschwendung zu stoppen, dass Mensch bestraft werden, die genießbare Nahrung vor der Entsorgung bewahren“, sagte Boris Burghardt, Vorstandsmitglied der GFF. Laut früheren Angaben werden in Deutschland jedes Jahr mehr als 18 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet. In vielen Städten gibt es mittlerweile „Foodsharing“-Kampagnen, die gezielt mit Supermärkten oder Bäckereien zusammenarbeiten. Diese sollen Containern überflüssig machen.