home Politik Droht ein neuer Krieg? Serbien verlegt Truppen an Grenze zum Kosovo

Droht ein neuer Krieg? Serbien verlegt Truppen an Grenze zum Kosovo

Wegen einer als „Provokation“ empfundenen Stationierung von Spezialeinheiten der kosovarischen Polizei in der Grenzregion hat Serbiens Präsident Aleksandar Vucic Teile von Armee und Polizei in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Dies teilte das Verteidigungsministerium in Belgrad mit. Die EU und die NATO riefen beiden Seiten indes zur Zurückhaltung auf. Der serbische Verteidigungsminister Nebojsa Stefanovic besuchte Truppen in zwei Armeestützpunkten. Einer davon liegt in der Nähe der Grenze zum Kosovo.

Serbien erkennt Unabhängigkeit des Kosovo nicht an

INFO-BOX:
Republik Kosovo
Der Kosovo war ehemals Bestandteil der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien und ab 1992 Bestandteil der neu konstituierten Bundesrepublik Jugoslawien. Seine Fläche beträgt rund 11.000 km². Nach dem Kosovokrieg war der Kosovo ab 2003 eine Teilregion der Republik Serbien. Am 17. Februar 2008 erklärte der Kosovo seine Unabhängigkeit. 115 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen erkennen den Kosovo mit seinen rund zwei Millionen Einwohnern inzwischen als unabhängigen Staat an.
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Hintergrund der Spannungen ist, dass seit Mitte September serbische Besucher an der Grenze zum Kosovo ihre KFZ-Nummernschilder gegen provisorische kosovarische Kennzeichen tauschen müssen. Die Regierung in Pristina reagierte mit der Verordnung auf den Umstand, dass Serbien seinerseits die vom Kosovo nach der Unabhängigkeitserklärung 2008 eingeführten Nummernschilder nicht anerkennt. Doch serbische Kosovaren im Norden des Landes weigern sich, der Anordnung nachzukommen. Die ethnische Minderheit erkennt die Autorität der von ethnischen Albanern geführten Regierung in der Hauptstadt Pristina nicht an. Daraufhin hatte das Land Spezialeinheiten der Polizei des Kosovo an zwei Grenzübergangen im Norden postiert. Dort hatten zuvor täglich Hunderte gegen die Vorgabe protestiert und mit ihren Fahrzeugen den Verkehr an den Grenzübergängen behindert.

Aus serbischer Sicht implizieren Nummernschilder aus dem Kosovo dessen Status als unabhängige Nation. Die Regierung in Belgrad erkennt diese aber bis heute nicht an und betrachtet den Kosovo als abtrünnige Provinz. Auch Serbiens Verbündeter Russland erkennt die Unabhängigkeit des Kosovo im Gegensatz zu den meisten westlichen Staaten nicht an.

Am gestrigen Abend verkündete Vucic, das Land werde „für unser Volk kämpfen“, um die „Pogrome gegen Serben“ im Kosovo zu beenden. „Wenn wir nicht kämpfen, können wir nichts erreichen“, so Vucic. Darum habe er NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg angerufen und dem Militärbündnis am Sonntagabend ein Ultimatum gestellt. „Wir werden 24 Stunden auf sie warten, um zu sehen, wie die NATO reagiert, wenn es ein Pogrom gegen Serben gibt. Wenn das Pogrom an unserer Bevölkerung anhält, wird Serbien reagieren und das nicht zulassen“.

Auch Russland in den Konflikt verstrickt

Stoltenberg rief noch am gestrigen Sonntag zur Mäßigung auf. „Es ist wichtig, dass Belgrad und Pristina Zurückhaltung üben und den Dialog wieder aufnehmen“, schrieb er auf Twitter nach einem Telefonat mit dem serbischen Präsidenten und dem kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti. Kosovos Präsidentin Vjosa Osmani brach nach den jüngsten Ereignissen ihren Besuch bei der UNO in New York ab. Sie kehrte anschließend in den Kosovo zurück. Auch Albanien zeigte sich über die jüngste „Eskalation der Lage“ besorgt. Das Land forderte Serbien auf, seine Truppen aus der Grenzregion abzuziehen.

Experten sehen zudem eine Verstrickung Russlands in den aktuellen Konflikt. Jakub Janda vom „European Values Center for Security Policy“ in Prag gab gegenüber der “Bild” zu bedenken, „dass Serbien ein enger Verbündeter Russland ist“. Aktuell sehe man eine Eskalation gegen den Kosovo, in der Serbien und sein Präsident den politischen Einsatz erhöhten. Dies sei ohne Russlands diplomatischen und militärischen Verteidigungsschild nicht möglich. Russlands Ziel sei eine Destabilisierung des westlichen Balkans, so der Experte.