home Politik Fraktionschef Rolf Mützenich offenbar als SPD-Kanzlerkandidat im Gespräch

Fraktionschef Rolf Mützenich offenbar als SPD-Kanzlerkandidat im Gespräch

SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich ist einem Bericht zufolge als Kanzlerkandidat der Partei im Gespräch. Er sei der Wunschkandidat der beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans für die Bundestagswahl im kommenden Jahr, berichtete das Magazin „Cicero“. Über die Personalie würden derzeit Gespräche mit Spitzenvertretern der SPD geführt, so das Magazin weiter. Die Partei will die Kanzlerkandidatur allerdings nicht vor dem Spätsommer entscheiden.

Finanzminister Olaf Scholz gilt als eigentlicher Favorit

INFO-BOX:
Kanzlerkandidaten der SPD seit 1949
1949: Kurt Schumacher
1953: Erich Ollenhauer
1957: Erich Ollenhauer
1961: Willy Brandt
1965: Willy Brandt
1969: Willy Brandt
1972: Willy Brandt
1976: Helmut Schmidt
1980: Helmut Schmidt
1983: Hans-Jochen Vogel
1987: Johannes Rau
1990: Oskar Lafontaine
1994: Rudolf Scharping
1998: Gerhard Schröder
2002: Gerhard Schröder
2005: Gerhard Schröder
2009: F.-W. Steinmeier
2013: Peer Steinbrück
2017: Martin Schulz
Ein Sprecher von Mützenich wies die Berichte ins Reich der Fabel. Alle Meldungen dazu seien Spekulation, auch die Inhalte des Wahlprogramms sollen erst im Herbst festgelegt werden. Mützenich gilt ebenso wie die beiden SPD-Vorsitzenden als Vertreter des linken Parteiflügels. Der Außenpolitiker hatte zuletzt eine Debatte über die Frage ausgelöst, ob in Deutschland Atomwaffen stationiert sein sollten. Im vergangenen Jahr wurde der gebürtige Kölner als Nachfolger von Andrea Nahles zum Fraktionsvorsitzenden gekürt. Sollte Mützenich seinen Hut in den Ring werfen, darf er sich namhafter interner Konkurrenz sicher sein. Als eigentlicher Favorit auf die Nominierung als SPD-Kanzlerkandidat gilt Finanzminister Olaf Scholz. Dieser war allerdings 2019 zusammen mit seiner Duo-Partnerin Klara Geywitz in einer Mitgliederbefragung um den Parteivorsitz der jetzigen Parteispitze unterlegen. Zudem gilt Scholz als Vertreter des konservativen Parteiflügels.

Mützenich selbst hatte sich dafür ausgesprochen, auch bei der nächsten Bundestagswahl einen eigenen Kanzlerkandidaten aufzustellen. Das sei eine Frage des Selbstbewusstseins und der Selbstachtung der 400.000-Mitglieder-Partei. Die SPD hat zwar vergleichsweise viele Mitglieder, befindet sich aber seit Jahren im Umfragetief und dümpelt um die 15 Prozent-Marke. Damit ist sie hinter der CDU und den Grünen aktuell nur noch drittstärkste politische Kraft im Land und spürt bereits die AfD im Nacken. Dabei müssten die Sozialdemokraten eigentlich derzeit obenauf sein. Die Corona-Krise spült ihnen mögliche Wahlkampfthemen quasi in den Schoß. Ob mehr Anerkennung für Pflegekräfte, Verkäufer und andere „systemrelevante“ Berufe, Solidarität in der Krise oder ein Staat, der auch vor Schulden nicht zurückschreckt, um der Gesellschaft wieder auf die Beine zu helfen.

Seeheimer Kreis entsetzt über Kahrs-Demontage

Trotzdem kann der Koalitionspartner CDU/CSU als Einziger Kapital aus der Situation schlagen. Dies liegt weniger an der vielgelobten Arbeit der SPD-Regierungsmitglieder, als vielmehr an der Ernüchterung, dass der erhoffte Umschwung mit Esken und Walter-Borjans an der Spitze ausblieb. Diese haben offenbar inzwischen selbst eingesehen, dass sie nicht das Zeug zum gewinnbringenden Kanzlerkandidaten hätten und suchen nun nach einer Lösung. Die überwältigende Mehrheit der SPD-Bundestagsfraktion favorisiert indes eine Scholz-Kandidatur – diesem Drängen nachzugeben, wäre aber wohl die ultimative Niederlage für die beiden Parteivorsitzenden.

Aber auch Mützenich hat sich ohne Not Feinde gemacht. So herrscht im einflussreichen konservativen Seeheimer Kreis noch immer Schockstarre über das, was er ihrem Sprecher Johannes Kahrs angetan hat. Dieser hatte sich im Besitz einer sicheren Zusage des Fraktionschefs für das Amt des Wehrbeauftragten gewähnt. Mützenich nominierte jedoch die fachfremde Eva Högl, woraufhin Kahrs sein Bundestagsmandat enttäuscht hinwarf. Die Kritik prallt am Fraktionschef jedoch ab. Er wolle sich jetzt auf die Sacharbeit konzentrieren und ein Bindeglied zwischen den Parteichefs auf der einen und den SPD-Ministern auf der anderen Seite sein. Eine Eigenschaft, die ihn als Kompromiss-Kanzlerkandidaten geradezu prädestinieren würde.