home Wirtschaft Bundesgerichtshof: Volkswagen muss Käufer von Schummel-Dieseln entschädigen

Bundesgerichtshof: Volkswagen muss Käufer von Schummel-Dieseln entschädigen

Für Zehntausende Diesel-Fahrer ist der Weg für Schadensersatz von Volkswagen (VW) frei. In seinem ersten Urteil zum VW-Abgasskandal stellte der Bundesgerichtshof (BGH) am Montag in Karlsruhe fest, dass klagende Käufer ihr Auto zurückgeben und das Geld dafür einfordern können. Allerdings müssen sie sich die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Die obersten Zivilrichter bestätigten mit ihrer Entscheidung ein käuferfreundliches Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz.

VW: Noch 60.000 Diesel-Klagen anhängig

Dieses hatte Volkswagen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verpflichtet, dem Käufer eines gebrauchten VW Sharan gut 25.600 Euro plus Zinsen zu erstatten. Der Kläger Herbert Gilbert aus Rheinland-Pfalz wollte jedoch den kompletten Kaufpreis in Höhe von 31.500 Euro zurück, da er der Werbung vertraut und geglaubt habe, ein sauberes Auto gekauft zu haben. Unter der Haube des Sharan steckt jedoch ein Diesel-Motor des Typs EA 189. Dieser besitzt eine Software, die dafür sorgte, dass das Fahrzeug die Abgas-Grenzwerte zwar auf dem Prüfstand, nicht aber auf der Straße einhielt. Im Herbst 2015 flog der Skandal auf, mehrere Millionen Fahrzeuge waren allein bei Volkswagen davon betroffen. Beide Seiten legten gegen das Koblenzer Urteil Revision ein. VW mit der Begründung, dass dem Kläger und alle anderen Diesel-Kunden überhaupt kein Schaden entstanden sei. Das Auto sei schließlich jederzeit uneingeschränkt nutzbar gewesen.

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Urteil
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Nach Angaben von Volkswagen sind noch rund 60.000 Diesel-Klagen bei den Gerichten anhängig. Für diese Prozesse dürfte das heutige BGH-Urteil eine wichtige Richtschnur sein. Bisher hatten die unteren Instanzen sehr unterschiedlich geurteilt. Der Bundesgerichtshof stellte nun fest, dass Volkswagen eine gezielte Täuschungsstrategie angewandt habe. Das Verhalten des Konzern sei als „sittenwidrig zu qualifizieren“, sagte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters in der Urteilsbegründung. „Das Urteil bedeutet Rechtssicherheit für Millionen Verbraucher in Deutschland und zeigt einmal mehr, dass auch ein großer Konzern nicht über dem Gesetz steht. Heute haben wir Geschichte geschrieben“, sagte der Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen Kanzlei „Goldenstein & Partner“ für den Fall verantwortlich ist und insgesamt rund 21.000 Mandanten im Dieselskandal vertritt. Auch der Kläger zeigte sich erfreut: „Ich bin sehr froh, es war ein langer Weg“, so Gilbert. Die Entscheidung helfe nicht nur ihm, sondern auch Tausenden anderen Klägern.

240.000 Diesel-Besitzer akzeptierten bisher Vergleich

Für Juli hat der BGH bereits die nächsten Verhandlungen angesetzt. Der Fall Gilbert ist zwar beispielshaft, doch gibt es noch zahlreiche andere Konstellationen. So haben manche Kläger ihr Auto erst gekauft, als der Dieselskandal bereits publik war. Andere haben nicht gegen VW, sondern den jeweiligen Autohändler geklagt, haben ein Software-Update aufspielen lassen oder darauf verzichtet bzw. haben ihren Wagen geleast und nicht gekauft. Verbleibenden Klägern will VW auch weiterhin Einmalzahlungen anbieten. Dies sei eine „pragmatische und einfache Lösung“, so das Unternehmen. Die Höhe der Angebote hänge vom Einzelfall ab. Die Karlsruher Entscheidung bezeichnete VW als „Schlusspunkt“. Für eine große Gruppe von rund 240.000 Diesel-Besitzern hat das heutige Urteil aus Karlsruhe allerdings keine Bedeutung mehr. Diese haben den im Rahmen einer Musterfeststellungsklage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV) mit VW ausgehandelten Vergleich inzwischen angenommen. Damit verzichten Sie automatisch auf weitere Forderungen gegen den Konzern.