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Lufthansa: Aufsichtsrat lehnt Rettungspaket wegen EU-Auflagen vorerst ab

Der Lufthansa-Aufsichtsrat hat am Mittwoch die Entscheidung zur Annahme des staatlichen Rettungspakets über neun Milliarden Euro vertagt. Als Grund nannte das Unternehmen in Frankfurt am Main mögliche Auflagen der EU-Kommission, die bei einer Staatshilfe die Start- und Landerechte an verschiedenen Flughäfen überprüfen könnte. Die von der Wettbewerbsbehörde geforderten Auflagen bedeuteten eine Schwächung der Drehkreuze in München und Frankfurt, so Lufthansa. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Auswirkungen sowie mögliche Alternativszenarien gelte es nun intensiv zu prüfen.

Altmaier: Wollen „Ausverkauf der Industrie“ verhindern

INFO-BOX:
Deutsche Lufthansa AG
Die heutige Deutsche Lufthansa AG wurde im Jahr 1953 gegründet. Den Flugbetrieb nahm das Unternehmen am 1. April 1955 auf, nachdem die Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Lufthoheit wiedererlangt hatte. Bis 1963 war die Deutsche Lufthansa AG zu fast 100 Prozent in Staatsbesitz. Seit 1997 ist das Unternehmen vollständig privatisiert und war im selben Jahr Gründungsmitglied der Star Alliance. Der Heimat-flughafen der Deutschen Lufthansa ist Frankfurt/M., ein weiteres Drehkreuz ist der Flughafen München.
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Als eine solche Alternative nannte das Unternehmen bislang nur eine Insolvenz in Eigenverwaltung als sogenanntes Schutzschirmverfahren. Der Aufsichtsrat aber nannte das Rettungspaket über den staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF die „einzig gangbare Alternative“ zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit. Der Aktienkurs der Lufthansa reagierte unmittelbar auf die Ankündigung. Nachdem er am Morgen noch um bis zu neun Prozent zugelegt hatte, verringerten sich die Kursgewinne anschließend auf fünf Prozent. Der Konzern ist in der Corona-Krise schwer unter Druck geraten, weil kaum noch Flugverkehr möglich ist. Zehntausende Jobs der rund 138.000 Mitarbeiter stehen trotz Kurzarbeit auf der Kippe. Am Montag hatte die Bundesregierung bekannt gegeben, dass das staatliche Hilfspaket für die Airline unter Dach und Fach sei. Dieses besteht aus Krediten, stillen Einlagen und einer direkten staatlichen Beteiligung in Höhe von 20 Prozent. In einem nächsten Schritt muss allerdings die EU-Kommission ihr Einverständnis dazu geben.

Der Aufsichtsrat verzichtete heute zunächst darauf, eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen. Das Gremium müsste über Kapitalmaßnahmen abstimmen, die einen Einstieg des WSF ermöglichen würden. Die Bundesregierung will indes strengere Auflagen aus Brüssel verhindern. „Wir verhandeln in Brüssel“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im Bundestag. Es sei im Interesse der EU, dass es durch die Corona-Pandemie keinen Ausverkauf der Industrie gebe. Europa brauche auch nach der Krise wettbewerbsfähige Industriefirmen. Dazu gehöre auch die Lufthansa. Auch die Kabinengewerkschaft Ufo warnte vor zu harten EU-Auflagen. Sollten etablierte Airlines Start- und Landerechte abgeben müssen, könne man diese Lücke nur durch Dumping-Anbieter wie Ryanair und andere Billigflieger auffüllen, sagte Ufo-Chef Daniel Flohr. Diese arbeiteten aber weder sozial fair noch nachhaltig.

Gewerkschaften schlagen bei Ryanair und Lauda Alarm

Apropos Ryanair: Nach der heftigen Kritik von Ryanair-Chef O’Leary an den geplanten Staatshilfen, geriet der Billigflieger heute selbst in die Kritik. Deutsche Gewerkschaften sehen Tausende tarifgebundene Arbeitsplätze in Gefahr und werfen den Iren vor, die Krise zum Sozialdumping zu missbrauchen. So wolle Ryanair beispielsweise bei seiner in Deutschland aktiven Tochter Malta Air die bestehenden Tarifvereinbarungen unterlaufen und bis zu 1.200 Kabinenbeschäftigte entlassen. Anschließend sollten die dort teilweise schon seit mehr als zehn Jahren Beschäftigten zu Dumping-Konditionen wieder eingestellt werden. Auch bei der Tochter Laudamotion gebe es große Probleme, teilte die Gewerkschaft Verdi mit. Die bisher an den Flughäfen Stuttgart und Düsseldorf aktive Airline wolle nach einem heftigen Streit mit der dortigen Gewerkschaft Vida die Basis in Wien schließen. Zudem hat die Lauda-Geschäftsführung allen Beschäftigten an den deutschen Standorten mitgeteilt, dass im Mai keine Gehälter ausgezahlt werden können. Das Unternehmen selbst wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern.