home Politik Großbritannien: Premier Boris Johnson will BBC massiv verkleinern und Rundfunkgebühren abschaffen

Großbritannien: Premier Boris Johnson will BBC massiv verkleinern und Rundfunkgebühren abschaffen

Der öffentlich-rechtlichen British Broadcasting Corporation (BBC) in Großbritannien droht laut Medienberichten offenbar ein tiefgreifender Umbau. Wie die „Sunday Times“ unter Berufung auf ein internes Papier schreibt, will die Regierung unter Premierminister Boris Johnson unter anderem die allgemeine Rundfunkgebühr („Licence Fee„) abschaffen und durch ein Abonnementmodell ersetzen, wie es beispielsweise von Streamingdiensten wie Netflix oder Spotify bekannt ist. Johnson hat bereits Sympathien für einen derartigen Plan durchblicken lassen.

Abomodell statt Rundfunkgebühr

INFO-BOX:
British Broadcasting
Corporation (BBC)
Die British Broadcasting Company Ltd. wurde am 18. Oktober 1922 in London von britischen und amerikanischen Elektrogeräteherstellern zur gemeinsamen Absatzsteigerung von Rundfunkgeräten durch Angebot eines Rundfunkprogramms gegründet. 1927 wurde sie in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts umgewandelt. Während des Zweitens Weltkrieges hatte die BBC bereits mehr als 11.000 Mitarbeiter in London und avancierte neben Radio Beromünster zur wichtigsten ausländischen Informationsquelle für deutsche Radiohörer. Heute sendet der BBC World Service in 33 Sprachen über Kurzwelle und Satellit, seit 2009 erfolgt die Ausstrahlung ausschließlich digital.
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Und von Seiten der Opposition kann die BBC auch nur wenig Hilfe erwarten. Für die Konservativen und Brexit-Fans gilt die Fernsehanstalt als zu liberal, zu urban und vor allem zu EU-freundlich. Johnson beschimpfte die BBC einmal als „Brexit Bashing Corporation“. In den Augen der Labour-Anhänger gilt sie wiederum als Bastion der Tories, die die Linke durch eine gezielte Kampagne um ihren Wahlsieg im vergangenen Dezember gebracht hat. Das alles wäre nicht dramatisch, würde das Geschäftsmodell der BBC nicht im Jahr 2022 überprüft und fünf Jahre später mit der Regierung neu verhandelt.

Bisher bringen die von fast jedem britischen Haushalt jährlich erhobenen 154,50 Pfund der Anstalt in jedem Jahr etwa 3,7 Milliarden Pfund ein. Wer nicht zahlt, kann verklagt und sogar im Gefängnis landen. In einem ersten Schritt hat die Johnson-Regierung nun vor kurzem eine Kommission eingesetzt, die die „Entkriminalisierung“ von Nichtzahlern prüfen soll. Die BBC warnte bereits davor, säumige Zahler nicht mehr zu verfolgen. Allein dies führe ansonsten zu Einnahmeausfällen von 200 Millionen Pfund jährlich. Ein Streitpunkt ist zudem, ob man Menschen über 75 Jahre zukünftig zur Kasse bitten soll. Diese waren bisher beitragsfrei, die BBC will das jedoch ändern.

Nach Angaben der „Sunday Times“ will Premier Johnson die Reformpläne zügig umsetzen. Insidern zufolge habe Johnson wörtlich über das System der britischen Rundfunkgebühr gesagt: „Wir werden es plattmachen“. Die BBC soll in der Folge massiv zusammengestutzt werden. Abgesehen von den Sendern Radio 3 (klassische Musik) und Radio 4 (Kultur) soll die Mehrzahl der rund 61 Radiosender verkauft werden. Außerdem will man die Zahl der aktuell zehn nationalen Fernsehsender reduzieren und den großzügigen Internetauftritt zusammenstreichen. Der Medienkonzern beschäftigt 24.000 Vollzeit-Mitarbeiter, dazu noch Tausende Freie. Zudem geben die inzwischen veröffentlichten üppigen Gehälter von Moderatoren immer wieder Anlass zu Kontroversen.

Besonders Johnsons Chefberater Dominic Cummings hat seit Längerem ein schwieriges Verhältnis zu den Medien. Die Stiftung New Frontiers Foundation, die er damals leitete, plädierte bereits 2004 für neue Kommunikationskanäle, mit denen Wähler besser beeinflusst werden könnten. Die Konservative Partei müsse endlich verstehen, dass sie in der BBC einen „tödlichen Feind habe“, hieß es damals.

Soll aus der BBC ein britisches Fox News werden?

Adam Boulton, britischer Fernsehveteran und Moderator bei Sky News warnte indes, die Angriffe der Regierung gegen die BBC könnten nur ein erster Schritt sein. „Wenn es Johnson gelingt, die BBC auszuschalten, dann sind danach auch andere etablierte Medien dran“. In Johnsons Umfeld gebe es einige, die von einem „britischen Fox News“ träumten. Der US-Fernsehsender gilt in weiten Teilen US-Präsident Donald Trump als sehr wohlgesonnen. Der BBC-Vorsitzende David Clementi mahnte vor rund einer Woche, ein Ende der bisherigen Rundfunkgebühren werde die Fähigkeit der BBC schwächen, „das Land zusammenzubringen“. Und BBC-Nachrichtenchefin Fran Unsworth ergänzte im „Guardian“: „Unser Staatsauftrag legt fest, dass wir Nachrichten liefern, unparteiisch, ohne Furcht oder Gefälligkeitsjournalismus, ohne auf wirtschaftliche oder politische Interessen Rücksicht nehmen zu müssen“. Mit einem Abonnementmodell könne man diesen Auftrag aber nicht erfüllen.