home Politik, Wirtschaft Premier Johnson: No-Deal-Brexit wäre „gutes Ergebnis“ für Großbritannien

Premier Johnson: No-Deal-Brexit wäre „gutes Ergebnis“ für Großbritannien

Kurz vor der nächsten Gesprächsrunde über ein Brexit-Anschlussabkommen hat der britische Premierminister Boris Johnson von der EU mehr Tempo und Entgegenkommen gefordert. Man müsse sich bis spätestens Mitte Oktober einigen, damit ein solcher noch ratifiziert werden könne. Ansonsten werde es kein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien geben, so Johnson. Stattdessen setze London dann auf eine Vereinbarung mit der EU nach australischem Vorbild.

Barnier wirft Briten Rosinenpickerei vor

INFO-BOX:
Austrittsabkommen
EU-Großbritannien
Das Austrittsabkommen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien wurde am 17. Oktober 2019 beschlossen ist seit dem 1. Februar 2020 in Kraft. Es sieht eine Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 vor, in der das EU-Recht für das Vereinigte Königreich grundsätzlich weiterhin gilt und Großbritannien Teil des EU-Binnenmarktes und der Zollunion bleibt. Eine Verlängerung über diesen Termin hinaus ist nicht möglich. Den vollständigen Text des Abkommens sowie Fragen und Antworten hierzu können Sie mit einem Klick auf „mehr dazu“ einsehen.
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Mit Australien hat die EU allerdings bisher nur ein Rahmenabkommen, das unter anderem technischen Hürden betrifft. Im Großen und Ganzen findet der Handel zwischen der EU und Australien auf Grundlage der Richtlinien der Welthandelsorganisation WTO statt. Auf Großbritannien übertragen wäre eine solche Übereinkunft der gefürchtete „No Deal“. Die nächste Verhandlungsrunde zwischen der EU und den zum 31. Januar dieses Jahres aus der europäischen Gemeinschaft ausgetretenen Briten beginnt am Dienstag.

EU-Verhandlungsführer Michel Barnier warnte vor einem Scheitern und warf der Regierung in London Rosinenpickerei vor. „Ich bin weiterhin besorgt“, sagte Barnier gegenüber dem Radiosender France Inter. „Die Verhandlungen sind schwierig, weil die Briten das Beste aus beiden Welten wollen“. Der britische Chefunterhändler David Frost ging unterdessen in die Offensive. Er sei sich mit Johnson völlig einig, dass Großbritannien von einem No-Deal-Brexit nichts zu befürchten habe, sagte Frost der „Mail on Sunday“. „Ich glaube nicht, dass uns das in irgendeiner Weise Angst einjagt“.

Johnson selbst sicherte vor Beginn der nächsten Verhandlungsrunde zu, dass er sich dafür einsetzen werde, dass ein Abkommen zustande komme. Allerdings wäre auch ein Scheitern der Verhandlungen und ein damit verbundener No-Deal-Brexit ein „gutes Ergebnis“ für Großbritannien. Seine Regierung werde auf ein Scheitern der Verhandlungen „vorbereitet“ sein. Laut einem Bericht der Financial Times (FT) plant die britische Regierung in diesem Fall Teile des Scheidungsvertrags mit der EU außer Kraft zu setzen. Dies beträfe Abmachungen zu Nordirland und zu Staatshilfen. Im Austrittsabkommen zwischen der EU und Großbritannien hatten die Briten lange auf Sonderregeln für Nordirland beharrt. Schließlich akzeptiert man jedoch, Subventionen für Unternehmen bei der EU anzumelden, sofern diese Geschäfte in Nordirland betreffen. Zudem müssen nordirische Unternehmen Exporterklärungen abgeben, wenn sie Güter auf das britische Festland bringen wollen. Das geplante Binnenmarktgesetz, das im Herbst beschlossen werden soll, würde diese Regeln aushebeln.

Von der Leyen: Briten müssen zu ihrem Wort stehen

„Alles, was unterschrieben wurde, muss respektiert werden“, gab Barnier denn auch am Montag die weitere Marschroute für die Verhandlungen seitens der EU vor. Dies sei ein fundamentales Prinzip des internationalen Rechts. Und weiter: „Wer will schon ein Handelsabkommen mit einem Land abschließen, das internationale Verträge nicht umsetzt?“ Eine solche Strategie sei verzweifelt und letztlich selbstzerstörerisch. Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen rief die britische Regierung dazu auf, zu ihrem Wort zu stehen. Auf Twitter schrieb sie: „Ich vertraue darauf, dass die britische Regierung das Austrittsabkommen umsetzt“. Die Einhaltung des Vertrages sei „eine völkerrechtliche Verpflichtung und Voraussetzung für jede künftige Partnerschaft“. Die Vereinbarungen zu Nordirland seien für den Schutz von Frieden und Stabilität sowie für die Integrität des Binnenmarktes von wesentlicher Bedeutung.