home Politik, Wirtschaft BGH: EY-Wirtschaftsprüfer müssen vor Wirecard-Untersuchungsausschuss aussagen

BGH: EY-Wirtschaftsprüfer müssen vor Wirecard-Untersuchungsausschuss aussagen

Die Wirtschaftsprüfer von EY (Ernst & Young) können sich im Skandal um den insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard nicht mehr auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag entschieden. Vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestages könne nun jeder als Zeuge geladene EY-Mitarbeiter zur Abschlussprüfung aussagen, bestätigte EY. Der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar (FDP) erklärte, der Ausschuss werde die Zeugen von EY für den 19. März erneut vorladen.

EY-Prüfer hatten im Herbst die Aussage verweigert

INFO-BOX:
Ernst & Young (EY)
Ernst & Young (EY) ist ein weltweit operierendes Netzwerk rechtlich selbstständiger und unabhängiger Unternehmen in den Bereichen Wirtschafts-prüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung, Risk Advisory, Financial Advisory, Unternehmens- und Managementberatung sowie in der klassischen Rechtsberatung. EY zählt zu den vier umsatzstärksten Wirtschaftsprüfungs-gesellschaften der Welt („Big Four“), hat seinen Sitz in London und beschäftigt weltweit rund 300.000 Mitarbeiter.
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Der erste Auftritt eines führenden EY-Prüfers war im Herbst vergangenen Jahres mehr als enttäuschend für die Abgeordneten verlaufen. Der Zeuge Christian Orth hielt vor dem Ausschuss einen langen Vortrag über die Rechte und Pflichten seines Berufsstands. Alle konkreten Fragen zum kollabierten Finanzdienstleister, der viele Jahre von der großen Wirtschaftsprüfungskanzlei beaufsichtigt worden war, blockte er hingegen ab. Er müsse von allen beteiligten Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern von seiner Schweigepflicht entbunden werden, nicht nur vom Insolvenzverwalter. Diese Einwilligungen lägen jedoch nicht vor. Sie einzuholen, dürfte auch schwierig werden. Der ehemalige Wirecard-Chef Markus Braun sitzt in Untersuchungshaft, sein Vorstandskollege Jan Marsalek ist flüchtig. Viele Parlamentarier glauben, dass EY bewusst schweigen will, da ihre Prüfer jahrelang die Jahresabschlüsse von Wirecard durchgewunken hatten. Erst im Juni 2020 verweigerten sie das Testat.

Insgesamt vier EY-Zeugen hatten im Herbst die Aussage vor dem Untersuchungsausschuss verweigert. Zwei davon wurden daraufhin mit jeweils 1.000 Euro Ordnungsgeld belegt. Dagegen ging EY gerichtlich vor und verlangte eine Grundsatzentscheidung. Der BGH stellte nun fest, dass die Zeugen zu Unrecht geschwiegen hatten. Die Entbindung von der Schweigepflicht durch den Insolvenzverwalter ist nach Auffassung der Richter ausreichend. Das vom Ausschuss verhängte Ordnungsgeld wurde den Prüfern vom BGH jedoch erlassen, da Gerichte zu diesem Thema bisher unterschiedlich geurteilt hätten. Nun wurde höchstrichterlich Rechtssicherheit geschaffen.

Die SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe (SPD) reagierte erleichtert auf den Richterspruch. Der BGH habe „die fadenscheinigen Ausreden von EY“ verworfen. Nun könnten sich die Prüfer nicht länger „hinter der Mauer des Schweigens verstecken“ und müssten darlegen, weshalb „EY jahrelang die Testate ausgestellt hat“. Das Unternehmen hatte dem Untersuchungsausschuss im Dezember versiegelte Kisten mit umfangreichen Unterlagen zum Fall Wirecard übergeben. Nun habe man Kontakt aufgenommen, um den Zugang zu den Dokumenten zu ermöglichen, teilte EY mit.

Wirecard-Betrug: Personelle Konsequenzen bei der BaFin

Der Ausschuss muss seine Befragungen bis Ende April abgeschlossen haben. Am heutigen Donnerstag war der langjährige Leiter der Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), Edgar Ernst, geladen. Dieser gab an, der DPR fehlten die Mittel und die kriminalistische Expertise, um den Bilanzbetrug bei Wirecard aufzudecken. „Die DPR kann die korrekte Abbildung von ausgewählten Geschäftsvorfällen sicherstellen, nicht aber die Existenz von Vermögenswerten nachweisen“, so Ernst. Demnach prüft die DPR nicht, ob etwa ein vorgelegter Vertrag gefälscht ist oder ob der Kunde überhaupt existiert. Im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal war zudem die Finanzaufsicht (BaFin) schwer in die Kritik geraten. Diese habe den milliardenschweren Betrug bei dem DAX-Konzern zu spät erkannt, so der Vorwurf. Nach einigem Zögern hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die Konsequenzen gezogen und zunächst BaFin-Chef Felix Hufeld und später auch dessen Stellvertreterin Elisabeth Roegele entlassen.