home Gesundheit, Politik Corona-Impfstoff: AstraZeneca hortet 29 Millionen Dosen in italienischer Fabrik

Corona-Impfstoff: AstraZeneca hortet 29 Millionen Dosen in italienischer Fabrik

Rund 29 Millionen Impfdosen des Herstellers AstraZeneca sind nach Angaben von italienischen Medienberichten in der Nähe von Rom entdeckt worden. Demnach waren Behördenvertreter bei einer Begehung im Werk der italienischen Firma Catalent in Anagni auf das Vakzin gestoßen. Catalent produziert das Vakzin im Auftrag von AstraZeneca. Die Impfdosen seien in Kühlanlagen des Unternehmens gelagert worden. Die EU-Kommission bestätigte inzwischen den Fund. Die Zeitung „La Stampa“ berichtete, die Dosen seien fertig verpackt für den Export nach Großbritannien gewesen.

EU-Kommission: AstraZeneca bevorzugt Großbritannien

Dem widersprach die Regierung in Rom. Wie die Inspektion ergeben habe, seien die kontrollierten Impfstoff-Partien vielmehr für Belgien bestimmt gewesen, sagte Regierungschef Mario Draghi in einer Erklärung. Es sei auch nicht korrekt, von einem Versteck oder einer Bevorratung zu sprechen, so eine Unternehmenssprecherin. Es handele sich um verschiedene Kontingente des AstraZeneca-Impfstoffs, die auf die Freigabe durch die Qualitätskontrolle warteten. Davon seien 13 Millionen für ärmere Länder im Rahmen des Covax-Programms bestimmt. Weitere 16 Millionen sollten nach der Freigabe nach Europa gehen. Derzeit plane man keine Exporte außer in Covax-Länder.

INFO-BOX:
AstraZeneca
AstraZeneca entstand 1999 aus der schwedischen Astra AB und der britischen Zeneca PLC. Hauptsitz des Unternehmens ist Cambridge. 2019 war AstraZeneca mit mehr als 70.000 Beschäftigten und 26,6 Milliarden US-Dollar Umsatz der größte Arzneimittelhersteller der Welt.
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Die EU-Kommission wirft AstraZeneca seit längerer Zeit vor, andere Kunden, darunter vor allem Großbritannien, bei seinen Lieferungen zu bevorzugen. Zudem habe das Unternehmen erst rund 30 Millionen Impfdosen an die EU-Staaten geliefert, obwohl man laut dem Vertrag mit der EU-Kommission bis Ende März rund 100 Millionen Dosen hätte liefern sollen. Ein EU-Vertreter teilte mit, die Kommission habe um die Inspektion des Werks gebeten, weil man AstraZeneca verdächtige, „über mehr Produktionskapazität in Europa zu verfügen, als sie angegeben hatten“.

Zusätzlich werden nun die Möglichkeiten für Exportstopps deutlich ausgeweitet. Die Brüsseler Behörde machte dazu den Weg für Ausfuhrsperren in dem Fall frei, dass ein Zielland selbst Impfstoff produziert aber nicht exportiert oder wenn dessen Bevölkerung bereits weitgehend durchgeimpft ist. Dies sei nötig, „um unsere Impfziele gegen das Coronavirus zu erreichen“, sagte Kommissionsvize Valdis Dombrowskis. Generelle Exportverbote soll es aber ebenso wenig geben wie eine Behinderung von Ausfuhren in Entwicklungsländer. Die EU bleibe offen für Exporte, betonte auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Jedoch müsse man „schnelle und ausreichende Lieferungen an die EU-Bürger sicherstellen. Jeder Tag zählt.“

Weitere 250.000 Impfdosen für Australien gestoppt

„Die Meldungen über das AstraZeneca-Lager mit 29 Millionen Impfdosen in Italien machen mich fassungslos“, erklärte Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP). Sollte dies stimmen, zeige es, dass Exportbeschränkungen das Gebot der Stunde seien. Auch Mario Draghi ist ein klarer Fürsprecher solcher Beschränkungen. Erst Anfang des Monats hatte er überraschend einen Exportstopp von 250.000 Dosen des AstraZeneca-Impfstoffs nach Australien veranlasst. Diese stammten ebenfalls aus derselben Fabrik nahe Rom. Im Vorfeld des EU-Ratstreffens am Donnerstag hatten italienische Medien bereits darüber spekuliert, dass sich der 73jährige Regierungschef für noch härtere Regeln bei der Impfstoffausfuhr einsetzen wolle, um mehr Dosen für die Beschleunigung der Impfkampagnen in den EU-Ländern zur Verfügung zu haben.