home Auto, Wirtschaft Umstellung auf E-Autos: Bis zu 30.000 Jobs bei Volkswagen in Gefahr?

Umstellung auf E-Autos: Bis zu 30.000 Jobs bei Volkswagen in Gefahr?

Volkswagen-Chef Herbert Diess denkt laut einem Medienbericht über den Abbau von bis zu 30.000 Stellen nach. Wie das „Handelsblatt“ am Mittwoch meldete, brachte Diess bei einer Aufsichtsratssitzung am 24. September seine Sorge um die Zukunft des Wolfsburger Autokonzerns zum Ausdruck. Die Konzernspitze hat die Spekulationen inzwischen zurückgewiesen.

Diess: Tesla „neuer Polarstern“ der Autoindustrie

INFO-BOX:
Volkswagen (VW)
Ursprung des heutigen VW-Konzerns war die Entwicklung eines „Volkswagens“ durch Ferdinand Porsche 1937. Ein Jahr später entstand die Volkswagenwerk G.m.b.H. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Volkswagen 1949 zunächst in die Treuhandschaft des Landes Niedersachsen und wurde 1960 in eine Aktien-gesellschaft umgewandelt. 1985 erfolgte die Umfirmierung in Volkswagen AG. VW ist nach generiertem Umsatz der größte Automobil-hersteller der Welt.
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„Ein Abbau von 30.000 Stellen ist kein Thema“, hieß es am Nachmittag aus dem Umfeld des Vorstandschefs. Es gebe derzeit keine konkreten Pläne hinsichtlich Kürzungen, etwa am Stammsitz in Wolfsburg. Diess hatte angemerkt, dass die Kosten des Konzerns im Vergleich zu den Wettbewerbern nicht stimmten. Anschließend habe er beschrieben, wie er schon einmal den Absturz eines Standorts erlebt habe. Dies war in seiner Zeit als BMW-Manager in Großbritannien (1996-2004). Weil das Management damals nicht handelte und die Gewerkschaften Neuerungen blockiert hätten, sei der Automobilstandort Birmingham von der Landkarte verschwunden. Daher habe Diess mehrere Szenarien zur Zukunft von VW durchrechnen lassen. Im Extremfall seien demnach bis zu 30.000 Stellen in Gefahr, sollte die Kernmarke Volkswagen beim Umbau von Autos mit Verbrennungsmotor auf E-Modelle zu langsam sein, berichtete auch die Nachrichtenagentur Reuters. Dies wäre jeder vierte der gesamt 120.000 Jobs in Deutschland.

Die Stimmung bei der Sitzung soll nach der Ansprache von Diess gekippt sein. Offenbar wurden die Aufsichtsratsmitglieder von den Plänen kalt erwischt. Entsprechend gereizt sollen sie reagiert haben. Jeder im Aufsichtsrat wisse um den Handlungsbedarf, habe einer der Anwesenden gesagt. Die vorgebrachten Überlegungen gingen aber zu weit. Diess, seit 2018 Vorstandsvorsitzender von Volkswagen, sieht sich nach Angaben des „Handelsblatts“ vor allem vom Konkurrenten Tesla getrieben und das Unternehmen als „neuen Polarstern“ der Autoindustrie bezeichnet haben. Der US-Rivale plant, in seinem ersten deutschen Werk in Grünheide nahe Berlin jährlich rund 500.000 E-Autos mit gut 10.000 Beschäftigten zu produzieren. Bei Volkswagen wurden im Corona-Jahr 2020 ebenfalls rund eine halbe Million Fahrzeuge gefertigt. Allerdings sind allein im Stammwerk Wolfsburg etwa 25.000 Mitarbeiter in der Produktion beschäftigt.

Trinity: Neue VW E-Auto-Generation ab 2026

2026 soll bei VW eine neue E-Autogeneration namens Trinity vom Band rollen. Neben der Technik im Auto wird sich dabei auch die Produktion ändern und deutlich weniger komplex als heute sein. In dem Zuge könnte das bisher noch nicht von Modernisierungen betroffene Werk in Wolfsburg vor der Umstellung stehen. „Die schwierige Lage im Werk Wolfsburg bildet einen klaren Schwerpunkt der laufenden Beratungen für die diesjährige Planungsrunde“, sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo kürzlich angesichts vorherrschender Kurzarbeit wegen fehlender Halbleiter. Bis Mitte November sollen konkrete Entscheidungen zu Modellen und Standorten im globalen VW-Produktionsnetz fallen. Ein Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen bezeichnete Cavallo hingegen am Mittwoch als „absurd“. Allerdings stehe es außer Frage, „dass wir uns angesichts der neuen Marktteilnehmer mit der Wettbewerbsfähigkeit unseres Werks in Wolfsburg befassen müssen“.

Bisher hatte Volkswagen stets betont, dass der Umstieg auf die Elektromobilität unter dem Strich keine Jobs koste, weil auch viele neue Stellen entstünden. Experten bewerten die Transformation indes teilweise völlig anders. Die „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“ etwa sieht bis 2030 fast 410.000 Arbeitsplätze in der Autobranche bedroht. Das Institut für Politikevaluation rechnet sogar mit bis zu 600.000 weniger Beschäftigen in der Autoindustrie bis 2040. Nach Angaben der Gewerkschaft IG Metall ist der Abbau von Arbeitsplätzen in der gesamten Branche schon im Gange. Die Beschäftigung in der deutschen Autoindustrie sank im Jahr 2019 um 1,3 Prozent. Im Corona-Jahr 2020 schrumpfte sie anschließend sogar um das Doppelte.