home Gesundheit, Politik Zahl der Schwangerschaftsabbrüche sinkt 2021 auf Tiefststand

Zahl der Schwangerschaftsabbrüche sinkt 2021 auf Tiefststand

Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland ist im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Erhebung im Jahr 1996 gesunken. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Donnerstag mitteilte, wurden rund 94.600 Abtreibungen vorgenommen. Dies seien 5,4 Prozent weniger als im Vorjahr. 1996 hatte man 130.899 Eingriffe gezählt. Zuvor habe es keine Rechtsgrundlage für diese Statistik gegeben, erklärte ein Sprecher.

70 Prozent der Frauen zwischen 18 und 34 Jahre alt

Ein eindeutiger Grund für den Rückgang sei aus den vorliegenden Daten nicht zu erkennen, so die Behörde. Die Corona-Pandemie habe zumindest im Vorjahr nicht für einen derartigen Rückgang gesorgt. 2020 war die Zahl der Abbrüche um 0,9 Prozent und damit deutlich weniger stark gesunken. Sieben von zehn Frauen, die 2021 einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen ließen, waren den Angaben zufolge zwischen 18 und 34 Jahre alt. Etwa jede fünfte Frau zwischen 35 und 39 Jahre. Rund acht Prozent der Frauen waren 40 Jahre oder älter, nur drei Prozent waren jünger als 18 Jahre. 41 Prozent der Frauen hatten vor dem Schwangerschaftsabbruch noch kein Kind zur Welt gebracht.

96 Prozent der Eingriffe wurden nach der sogenannten Beratungsregelung vorgenommen. Seit 1995 bleibt ein Abbruch in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft straffrei, wenn sich die Frau zuvor beraten lässt. In den übrigen vier Prozent waren Indikationen aus medizinischen Gründen und aufgrund von Sexualdelikten die Begründung für den Abbruch. In diesen Fällen ist auch eine spätere Abtreibung noch straffrei möglich. Die meisten Abbrüche wurden mit der sogenannten Absaugmethode vorgenommen (52 Prozent). Bei 32 Prozent kam das Mittel Mifegyne zum Einsatz. Die Eingriffe erfolgten überwiegend ambulant. Davon zu etwa 81 Prozent in gynäkologischen Praxen und zu 16 Prozent im Krankenhaus.

Umstrittener Paragraf 219a StGB soll wegfallen

INFO-BOX:
Aufhebung §219a StGB
Am 9. März 2022 beschloss das Bundeskabinett die Aufhebung des Paragrafen 219a StGB. Demnach war jedwede „Werbung für den Abbruch der Schwanger-schaft“ verboten. Darunter fielen schon Informationen über verschiedene Methoden des Abbruchs. Als Strafmaß drohten eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren.
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Im Zehn-Jahres-Vergleich ging die Zahl der Abtreibungen überdurchschnittlich stark bei den jungen Frauen zurück. Bei den 15- bis 17-Jährigen sank deren Zahl um rund 40 Prozent, bei den 18- bis 19-Jährigen um 41 Prozent und bei Frauen zwischen 20 und 24 Jahren um fast 34 Prozent. Teilweise sei dieser Effekt darauf zurückzuführen, dass die Zahl der Frauen in diesen Altersgruppen in Deutschland im selben Zeitraum zurückgegangen sei. Der Statistik ist allerdings zu entnehmen, dass der demografische Rückgang deutlich geringer ist als der Rückgang bei den Schwangerschaftsabbrüchen.

In den vergangenen Jahre gab es eine kontroverse Diskussion um den Paragrafen 219a des Strafgesetzbuchs (StGB), der „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ unter Strafe stellt. Auch Ärztinnen und Ärzte, die sachliche Informationen über Abtreibungen veröffentlichen, müssen demnach mit einem Verfahren rechnen. Die neue Bundesregierung aus SPD, FDP und Grünen will den umstrittenen Paragrafen ersatzlos streichen. Die Beratungspflicht entfällt dadurch aber nicht. Auswirkungen auf die Zahl der Abbrüche wird dies aber wohl nicht haben. Nach Angaben der WHO sorgen Abtreibungsverbote weltweit nicht dafür, dass sich weniger Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Die gewonnene Informationsfreiheit kann aber dazu beitragen, Abtreibungen zukünftig für viele Frauen sicherer zu machen.