Trotz des extremen Zeitdrucks sieht die Europäische Union (EU) nach wie vor Chancen auf einen Brexit-Handelspakt mit Großbritannien ab 1. Januar kommenden Jahres. Die nächsten Tage seien entscheidend, schrieb EU-Unterhändler Michel Barnier auf Twitter. Im Europaparlament wächst indes der Ärger, weil fast keine Zeit mehr zur Ratifizierung eines möglichen Vertrags vor Jahresende bleibt. Die größten Knackpunkte sind weiterhin faire Wettbewerbsbedingungen sowie die EU-Fischereirechte in britischen Gewässern.
1. „Nach unseren Regeln spielen“ oder Zölle zahlen
2. Maas: Fahren Notfall-Planungen weiter hoch
3. Irland: No-Deal wäre „Versagen der Staatskunst“
„Nach unseren Regeln spielen“ oder Zölle zahlen
Der britische Premier Boris Johnson dämpft allerdings die Erwartungen. „Von uns wird erwartet, die Extrameile zu gehen. Aber ich muss wiederholen: Das Wahrscheinlichste ist, dass wir uns auf WTO-Bedingungen einstellen müssen“. Dies würde bedeuten, dass es kein Abkommen gibt. Nach am Samstagabend hatte die britische Regierung die Positionen der EU als inakzeptabel bezeichnet. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte die Briten. Sollte Großbritannien einen reibungslosen Zugang zum Binnenmarkt wollen, müssten die Briten „entweder nach unseren Regeln spielen“ oder einen Preis zahlen. „Und der Preis sind Zölle“. Damit spielte sie auf einen Mechanismus an, der für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen soll. Weicht Großbritannien von EU-Standards ab, könnte die EU Zölle verhängen.
Von der Leyen und Johnson hatten zuvor eine Verlängerung der Verhandlungen angekündigt. Eigentlich war bereits für vergangenen Sonntag eine finale Entscheidung vorgesehen. Am 31. Dezember scheidet Großbritannien nach seinem EU-Austritt Ende Januar aus Binnenmarkt und Zollunion aus. Ohne Anschlussvertrag drohen dann Zölle und massive Handelshemmnisse.
Maas: Fahren Notfall-Planungen weiter hoch
Brexit-Verhandlungen |
---|
Eine Übersicht über die aktuellen Brexit-Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien sowie weitere Dokumente und Hintergrundinformationen zu diesem Thema erhalten Sie mit einem Klick auf „mehr dazu“ (Englisch). |
Der Brexit-Experte der Linken, Martin Schirdewan, erklärte, nur wenn es diese Woche einen fertigen Vertragstexte gebe, bestehe noch „eine leichte Möglichkeit“, diesen am 27. Dezember ins Parlament einzubringen und in einer Sondersitzung zwischen den Jahren zu behandeln. Dafür sei „am Donnerstag die letzte Frist“. EU-Kommissionssprecher Eric Mamer sagte zur Ratifizierung nur: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“.
Irland: No-Deal wäre „Versagen der Staatskunst“
Großbritanniens Nachbar Irland wird indes nicht müde, einen Deal zu fordern. Alles andere wäre ein Versagen der Staatskunst, betonte Premier Micheál Martin gegenüber der BBC. „Mit aller Kraft müssen sich beide Seiten darauf konzentrieren, weiter zu verhandeln, um einen Deal zu bekommen. Auch Labour-Politiker Ed Miliband kritisierte die Haltung der britischen Regierung. Diese sei offenbar bereit, einen No-Deal inklusive umfangreich anfallender Zölle zu akzeptieren, nur um einer Vereinbarung zu entgehen, die theoretisch Zölle für einzelne Produkte in der Zukunft vorsehen könnte. Dies mache keinen Sinn, so Miliband. „Das ist, als wenn Sie sagen würden: Mein Dach könnte ja in fünf Jahren undicht werden, dann sollten wir das Haus doch lieber gleich abreißen“. Die Hoffnung auf ein Handelsabkommen ist aber auch auf der Insel noch nicht erloschen. So gehen inzwischen immer mehr Abgeordnete davon aus, an Weihnachten zur Abstimmung über einen Vertrag antreten zu müssen.