Der britische Premierminister Boris Johnson hat seinen Rücktritt als Chef der konservativen Tory-Partei verkündet. Er wolle jedoch Premierminister bleiben, bis ein Nachfolger gefunden sei, sagte Johnson in einer Ansprache vor Downing Street 10. Er sei traurig, „den besten Job der Welt“ aufgeben zu müssen. Die Ämter des Partei- und Regierungschefs werden üblicherweise in Personalunion bekleidet. Zahlreiche Parteifreunde forderten, Johnson solle auch sofort als Regierungschef abtreten. Als potenzielle Nachfolger Johnsons gelten unter anderem Außenministerin Liz Truss und Verteidigungsminister Ben Wallace.
Johnson: „Außerordentlich stolz“ über Brexit
Britische Premierminister seit 1945 |
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1945-1951: Clement Attlee 1951-1955: W. Churchill 1955-1957: Anthony Eden 1957-1963: H. Macmillan 1963-1964: A. Dougl.-Home 1964-1970: Harold Wilson 1970-1974: Edward Heath 1974-1976: Harold Wilson 1976-1979: J. Callaghan 1979-1990: M. Thatcher 1990-1997: John Major 1997-2007: Tony Blair 2007-2010: Gordon Brown 2010-2016: David Cameron 2016-2019: Theresa May 2019-2022: Boris Johnson 2022: Liz Truss ab 2022: Rishi Sunak |
Kurz vor seiner Rücktrittsankündigung hatte der 58-jährige Premierminister noch neue Minister ernannt. Seine langjährigen Vertrauten James Cleverly und Rit Malthouse beauftragte er mit der Leitung des Bildungsministeriums beziehungsweise der zentralen Regierungsbehörde Cabinet Office. Den früheren Wirtschaftsminister Greg Clark, einen Brexit-Gegner, ernannte er zum Minister für „Levelling Up“, also Angleichung der Lebensverhältnisse. Der ehemalige Justizminister Robert Buckland, den Johnson erst im September 2021 feuerte, ist jetzt Staatsminister für Wales. Weitere Ernennungen sollen folgen.
Johnson war in den vergangenen Tagen massiv unter Druck geraten. Mehrere Kabinettsmitglieder und Dutzende parlamentarische Regierungsmitarbeiter traten von ihren Ämtern zurück. Zuletzt forderte ihn sogar der erst am Dienstag ins Amt berufene Finanzminister Nadhim Zahawi zum Rücktritt auf.
Labour will Neuwahlen
Neben einer Spendenaffäre und Partys am Regierungssitz während des Corona-Lockdowns stand Johnson zuletzt vor allem dafür in der Kritik, einen Abgeordneten auf einen Fraktionsposten gehievt zu haben, gegen den es Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe gab. Johnson leugnete zunächst, von früheren Vorwürfen gegen Chris Pincher gewusst zu haben, räumte dann allgemeine Kenntnisse ein, um schließlich erklären zu lassen, er sei persönlich informiert worden, habe das aber wieder vergessen. Er entschuldige sich für die Berufung Pinchers, im Rückblick sei es die falsche Entscheidung gewesen.
Der neue Parteichef der Konservativen wird voraussichtlich noch im Sommer gewählt und dann Johnson auch als Premierminister ablösen. Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei begrüßte den Rücktritt Johnsons, forderte aber gleichzeitig Neuwahlen. Nun sei ein „frischer Start“ nötig, sagte Starmer. „Wir brauchen eine Labour-Regierung. Wir sind bereit.“