Die Europäische Union (EU) bringt nach dem Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny neue Russland-Sanktionen auf den Weg. Die Außenminister der Mitgliedsstaaten einigten sich bei einem Treffen in Luxemburg darauf, mit den notwendigen Vorbereitungen zu beginnen. Deutschland und Frankreich hatten zuvor gemeinsam EU-Strafmaßnahmen wegen des Anschlags mit einem militärischen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe vorgeschlagen. Sie begründeten den Schritt damit, dass Russland Aufforderungen zu einer lückenlosen Aufklärung der Tat bislang nicht nachgekommen sei.
1. Maas: „Eklatanter Verstoß“ gegen das Völkerrecht
2. Nawalny wird noch immer in Berlin behandelt
Maas: „Eklatanter Verstoß“ gegen das Völkerrecht
Nowitschok |
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Nowitschok („Neuling“) ist eine Gruppe stark wirksamer Nervengifte und -kampfstoffe, die ab den 1970er-Jahren in der damaligen Sowjetunion entwickelt wurden. Es blockiert die Produktion des Enzyms Cholinesterase, welches wichtig für den Abbau des Neurotrans-mitters Acetylcholin ist. Wird dieses nicht mehr abgebaut, wird das Nervensystem ungehemmt mit Reizen überflutet. |
Da Russland bisher keine glaubhafte Erklärung für die Vergiftung von Alexej Nawalny abgeliefert habe, gehe man davon aus, dass es keine andere plausible Erklärung gibt als „eine russische Beteiligung und Verantwortung“. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) teilte mit, die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) habe bestätigt, dass es sich bei der Vergiftung Nawalnys um einen Verstoß gegen das Chemiewaffen-Übereinkommen handele. Dies könne nicht ohne Konsequenzen bleiben.
Ohne Aufklärung durch Russland seien „zielgerichtete und verhältnismäßige Sanktionen gegen Verantwortliche unvermeidlich“. Dies hatte Maas bereits in der vergangenen Woche im Bundestag betont. Er kritisierte, dass Moskau bis heute nicht beantwortet habe, weshalb Nawalny mit einem Nervengift der Nowitschok-Gruppe in Russland vergiftet werden konnte. Alleine die Entwicklung, Herstellung und der Besitz chemischer Waffen sei ein „eklatanter Verstoß“ gegen das Völkerrecht.
Nawalny wird noch immer in Berlin behandelt
Der russische Oppositionelle war am 20. August während eines Inlandsfluges in Russland zusammengebrochen. Nach einer Notlandung in der sibirischen Stadt Omsk wurde er auf Drängen seiner Familie in die Berliner Charité ausgeflogen. Der 44-Jährige hat das Krankenhaus inzwischen wieder verlassen, ist aber noch nicht vollständig genesen. Er hält sich weiterhin in der deutschen Hauptstadt zu einer Reha-Maßnahme auf. Auch Nawalny selbst vermutete in einem Interview mit dem „Spiegel“, dass der russische Staat hinter dem Giftanschlag auf ihn steckt. Er gilt seit langem als einer der schärfsten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die russische Regierung weist indes jeglichen Verdacht zurück, dass staatliche russische Stellen Nawalny vergiftet haben könnten.