home Politik Präsidentenwahl: Polen wählen später und nur per Brief

Präsidentenwahl: Polen wählen später und nur per Brief

Nach der Einigung auf eine Verschiebung der Präsidentenwahl in Polen am Mittwoch, hat das Parlament in Warschau heute für eine Änderung des Wahlrechts gestimmt. Die Novelle der nationalkonservativen Regierungspartei PiS sieht dabei vor, die Wahl des Staatsoberhaupts wegen der anhaltenden Corona-Pandemie als reine Briefwahl abzuhalten. Die PiS hatte die Absage des Wahltermins erst am Mittwochabend, keine hundert Stunden vor der ursprünglichen, amtlich festgelegten Öffnung der Wahllokale bekannt gegeben.

Oberstes Gericht soll Wahl für ungültig erklären

INFO-BOX:
Prawo i Sprawiedliwość (PiS)
Die Prawo i Sprawiedliwość ("Recht und Gerechtigkeit") wurde 2001 vom damaligen Justizminister Lech Kaczyński und seinem Zwillingsbruder Jarosław gegründet. Sie gilt als gemäßigt EU-skeptisch und wird als nationalkonser-vativ, christdemokratisch und (rechts-)populistisch charakterisiert.
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Vorausgegangen war der Absage ein langer Streit. Seit Monaten stand eigentlich der 10. Mai als Wahltermin in Polen fest. Die Corona-Pandemie sowie daraus resultierende staatliche Beschränkungen hatten jedoch die Vorbereitungen für den Urnengang massiv behindert. Die PiS wollte zunächst den Termin retten, indem die Wahl ausschließlich per Brief erfolgen sollte. Dazu war eine Änderung des Wahlrechts nötig, den ein Teil der PiS-Fraktion aber zunächst nicht mittragen wollte. Auch die Opposition hatte heftig protestiert, da sie sich durch die Einschränkungen im Wahlkampf benachteiligt sah. Daher forderte sie eine Verschiebung der Wahl in den Herbst. In den Umfragen lag indes der PiS-Kandidat und Amtsinhaber Andrzej Duda mit großem Vorsprung vorn.

Am gestrigen Abend verständigten sich schließlich PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und sein Koalitionspartner, der ehemalige Vize-Ministerpräsident Jaroslaw Gowin auf eine Lösung. Da es nach der polnischen Verfassung schwierig wäre, einen bereits festgelegten Wahltag zu verschieben, fanden sie ein juristisches Schlupfloch. Wenn die Wahl am vorgesehenen 10. Mai nicht stattfindet, kann sie vom Obersten Gericht für ungültig erklärt werden. Die Parlamentspräsidentin muss daraufhin die Wahl zum ersten möglichen Termin neu ansetzen. Im Gegenzug gab die Gruppe rebellischer Abgeordneter um Gowin ihren Widerstand gegen das sogenannte Briefumschlag-Gesetz auf und stimmte im Parlament zu. „Gestern haben wir eine Lösung ausgearbeitet, die gut für Polen ist. Sie garantiert sichere, vollkommen demokratische und transparente Wahlen“, sagte Gowin im Anschluss.

Vertreter der Opposition begrüßten zwar, dass die Wahl verschoben wird, kritisierten aber gleichzeitig die Art und Weise, wie die Lösung gefunden wurde. „Nicht das Verfassungsgericht, nicht die parlamentarische Mehrheit, nicht die Wahlkommission entscheiden, sondern nur der PiS-Vorsitzende Kaczynski“, sagte der Präsidentschaftskandidat vom Linksbündnis, Robert Biedron. Dies zeige den „gesellschaftlichen Missstand“ in Polen.

EU-Kommission meldet Datenschutzbedenken an

Kritik kommt auch vonseiten der Europäischen Union. Es brauche in Polen eine öffentliche Debatte und eine politische Einigung darüber, wie und wann die Wahl im Kontext der Corona-Pandemie abgehalten werden sollte, sagte Justizkommissar Didier Reynders in Brüssel. „Ich begrüße die Debatte, die es in Polen gegeben hat, aber wir werden die Vorbereitung dieser Wahlen weiterverfolgen“. Hinzu kämen Datenschutzbedenken. Der Europäische Datenschutzausschuss untersuche derzeit, ob bei der Zusammenstellung der Adresslisten alles regelkonform gelaufen sei, so Reynders. „Es wird versucht, genau zu ergründen, auf welche Daten die polnischen Postdienste Zugriff hatten“. Die EU-Kommission liegt mit Polen seit Jahren wegen verschiedener Änderungen im Justizwesen im Clinch. Brüssel wirft Warschau vor, die Unabhängigkeit der Justiz systematisch zu beschneiden und die Gewaltenteilung zu untergraben. Erst vergangene Woche hatte die Behörde ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren „zum Schutz der Unabhängigkeit der Richter in Polen“ eingeleitet.