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Sachsen-Anhalt: Innenminister Holger Stahlknecht nach Interview entlassen

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat Innenminister Holger Stahlknecht (ebenfalls CDU) entlassen. Er zog damit die Konsequenz aus einem nicht abgesprochenen Interview Stahlknechts mit der „Magdeburger Volksstimme“ zum Koalitionsstreit um den Rundfunkbeitrag und die Ankündigung einer CDU-Minderheitsregierung, wie die Staatskanzlei mitteilte. Stahlknecht, der auch Landeschef der CDU in Sachsen-Anhalt ist, habe bereits seine Entlassungsurkunde erhalten.

„Offene Kampfansage an den Ministerpräsidenten“

INFO-BOX:
KEF
Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) überprüft den Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland und empfiehlt den Landesparlamenten die Höhe des Rundfunkbeitrags. Die 16 Mitglieder der KEF werden für 5 Jahre von den Ministerpräsidenten der Länder berufen. Die Geschäftsstelle der KEF befindet sich in Mainz. Vorsitzender ist seit 2009 Heinz Fischer-Heidlberger.
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Stahlknecht habe während der laufenden Bemühungen des Ministerpräsidenten, die „Kenia-Koalition“ zu stabilisieren, „unabgestimmt“ und „öffentlich den Koalitionsbruch und die Möglichkeit einer allein von der CDU gebildeten Minderheitsregierung in den Raum gestellt“, so die Staatskanzlei weiter. SPD und Grüne hatten Stahlknecht am Freitag vorgeworfen, den Streit nutzen zu wollen, um Haseloff zu stürzen. „Jetzt besteht Klarheit“ twitterte Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann mit Blick auf das Interview. Der CDU sei es nie um den Rundfunkbeitrag gegangen, sondern um den Sturz von Haseloff und die Vorbereitung einer Minderheitsregierung mit der AfD. „Hier will jemand die Chance ergreifen, den Machtkampf in der CDU doch noch für sich zu entscheiden“, sagte SPD-Fraktionschefin Katja Pähle. Der Versuch einer strategischen Rechtsverschiebung sei „ein gezielter Dammbruch und eine offene Kampfansage an den Ministerpräsidenten“.

Den anschließenden Rauswurf Stahlknechts begrüßten die Grünen: „Die Entscheidung halte ich für sachgerecht und angemessen“, so Lüddemann gegenüber Deutschen Presse-Agentur. Ministerpräsident Haseloff betonte in einer ersten Stellungnahme, auch angesichts der Corona-Pandemie sei es weiterhin sein Ziel, „eine in jeder Hinsicht handlungsfähige Regierung anzuführen, die auch im Landtag über verlässliche Mehrheiten verfügt“. Durch das Vorgehen Stahlknechts sei das notwendige Vertrauensverhältnis, das insbesondere auch in die Führung des Innenministeriums erforderlich sei, „so schwer gestört, dass er der Landesregierung nicht weiter angehören kann“. Stahlknecht war lange als möglicher Nachfolger von Haseloff im Gespräch. Nach mehreren Fehltritten und Skandalen in seinem Ministerium und in der CDU hatte er dem Ministerpräsidenten bei der Spitzenkandidatur für die Landtagswahl im Juni kommenden Jahres aber den Vortritt gelassen.

Sender berichten mit dem „Zeigefinger der Moralisierung“

In dem Interview hatte Stahlknecht auch die Blockadehaltung seiner Fraktion gegen die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent pro Monat ab Januar 2021 verteidigt. Man müsse sich fragen, ob es seitens der öffentlich-rechtlichen Sender genügend Sparbemühungen gegeben habe. Zudem hätten diese den Transformationsprozess in den ostdeutschen Ländern „zu wenig abgebildet“. Sie berichteten stattdessen „gelegentlich mit dem erhobenen Zeigefinger der Moralisierung“. Auch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF, siehe „Info-Box“) sparte Stahlknecht nicht aus. Diese lege ihre Vorschläge „geölt, gesalbt und nicht mehr angreifbar vor“. Man müsse hinterfragen, ob dieses Verfahren noch zeitgemäß sei. Es könne nicht sein, dass „die Landtage in Deutschland zu Abnickvereinen degradiert werden“.

Der neue Rundfunkstaatsvertrag kann nur festgeschrieben werden, wenn alle Landesparlamente der geplanten Gebührenerhöhung zustimmen. Bis auf Sachsen-Anhalt haben dies alle Landtage bereits getan oder die Zustimmung signalisiert. Kommt es zu keiner Einigung, wäre der Vertrag vom Tisch und müsste theoretisch wieder neu verhandelt werden. Dies haben mehrere andere Bundesländer wie beispielsweise Niedersachsen bereits kategorisch abgelehnt.