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Bundesbank: Inflation könnte auf knapp sechs Prozent steigen

Die Bundesbank hält einen sprunghaften Anstieg der Inflation in Deutschland auf knapp sechs Prozent im November für möglich. Im Oktober war der harmonisierte Verbraucherpreisindex HVPI, den die Europäische Zentralbank (EZB) als Basis für ihre Geldpolitik nimmt, in Deutschland auf 4,6 Prozent gestiegen. In ihrem am Montag veröffentlichten Monatsbericht geht die Bundesbank nun von einer noch deutlich höheren Rate aus. Vergleichbare Werte gab es zuletzt 1992. Es ist der vorletzte Monatsbericht unter Verantwortung des scheidenden Bundesbank-Chefs Jens Weidmann.

Bundesbank kritisiert angedachte Mindestlohn-Erhöhung

Einen Teil des Anstiegs für die Bundesbank auf Sondereffekte wie die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer in Deutschland ab Sommer 2020 in der Corona-Krise zurück. Seit Beginn dieses Jahres gelten wieder die alten Steuersätze. Der Sondereffekt aus der Mehrwertsteuer entfalle zudem ab Januar kommenden Jahres. „Dann sollte die Inflationsrate spürbar zurückgehen, obwohl die kräftig gestiegenen Marktnotierungen für Erdgas vermutlich zum Großteil erst nach dem Jahreswechsel an die Verbraucher weitergegeben werden“, so die Notenbank. In den ersten Monaten 2022 sollte die Teuerungsrate dann nach und nach abnehmen. „Sie könnte aber noch für längere Zeit deutlich über drei Prozent bleiben“, schrieben die Experten.

Angesichts der aktuellen Lage blickt die Bundesbank kritisch auf die Pläne der Ampel-Partner, den Mindestlohn gegen Ende des Jahres 2022 auf zwölf Euro pro Stunde zu erhöhen. Dies hätte „nicht zu vernachlässigende Ausstrahlungseffekte“ auf die darüber liegenden Lohngruppen, so die Bundesbank. „Auch hierdurch dürfte sich der Lohndruck künftig verstärken“. Dahinter steht die Sorge vor einer Spirale aus steigenden Preisen und steigenden Löhnen, für die Ökonomen bislang allerdings noch keine Anzeichen sehen. Zudem könnte eine solche politische Vorgabe die unabhängige Mindestlohnkommission entwerten, argumentierte die Bundesbank.

Lagarde: Keine vorzeitige Straffung der Geldpolitik

INFO-BOX:
Inflation
Inflation bezeichnet den allgemeinen Anstieg des Preisniveaus einer Ökonomie über einen bestimmten Zeitraum. Steigt das allgemeine Preisniveau, kann jede Geldeinheit weniger Güter und Dienstleistungen kaufen. Somit stellt die Inflation die Abnahme der Kaufkraft pro Geldeinheit dar, also den realen Wertverlust des Zahlungsmittels. Das Gegenteil der Inflation ist die Deflation (Rückgang des allgemeinen Preisniveaus).
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Lieferengpässe sowie die hohen Corona-Infektionszahlen bremsen zudem die Wirtschaft zum Jahresende nach Ansicht der Notenbanker wieder aus. „Die wirtschaftliche Erholung wird voraussichtlich zunächst eine Verschnaufpause einlegen“. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) könnte im vierten Quartal auf der Stelle treten. Im Sommer war Europas größte Volkswirtschaft nach vorläufigen Daten hingegen noch um 1,8 Prozent gegenüber dem zweiten Quartal gewachsen. Dazu hatte vor allem die Kauflust der Verbraucher beigetragen. Im vergangenen Jahr waren die monatlichen Konsumausgaben der privaten Haushalte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um drei Prozent auf durchschnittlich 2.507 Euro gegenüber dem Vorjahr gefallen. Auch für dieses Jahr sieht die Bundesbank Risiken durch das verstärkte Pandemiegeschehen. „Nach derzeitigem Stand dürften die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen aber weniger gravierend ausfallen als in früheren Pandemiewellen“.

Die EZB strebt für den Währungsraum der 19 Länder eine jährliche Teuerungsrate von zwei Prozent an und ist zumindest zeitweise bereit, ein moderates Über- oder Unterschreiten dieser Marke zu akzeptieren. Aus Sicht der Notenbank ist der jetzige Anstieg der Inflation nur von vorübergehender Dauer. Europas Währungshüter lassen sich daher nicht zu einem rascheren Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik drängen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde bekräftigte jüngst vielmehr, dass die Notenbank die Wirtschaft auch dann weiter unterstützen werde, wenn die akute Pandemie-Notlage beendet sei. „Wir nehmen diese Phase der höheren Inflation nicht auf die leichte Schulter“, versicherte Lagarde. Die EZB dürfe aber „angesichts vorübergehender oder angebotsbedingter Inflationsschocks nicht zu einer vorzeitigen Straffung der Geldpolitik übergehen“.