home Politik, Wirtschaft Schwache Lira und Touristen-Flaute: Türkische Wirtschaft bricht um 11 Prozent ein

Schwache Lira und Touristen-Flaute: Türkische Wirtschaft bricht um 11 Prozent ein

Die Corona-Pandemie hat in der Türkei einen historischen Konjunktureinbruch verursacht. Nach Angaben des türkischen Statistikamts lag die Wirtschaftsleistung des Landes im zweiten Quartal dieses Jahres elf Prozent unter dem des ersten Quartals. Das ist der stärkste Rückgang seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1998. Im Vergleich zum Vorjahresquartal brach die Wirtschaft um 9,9 Prozent ein. Analysten hatten hier sogar mit einem Minus von 10,7 Prozent gerechnet. Trotz der Negativrekorde ist die Türkei mit diesen Zahlen weniger stark von der Corona-Krise getroffen als andere Schwellenländer.

75 Prozent weniger Touristen im ersten Halbjahr 2020

INFO-BOX:
Republik Türkei
Die Republik Türkei ist seit ihrer Gründung 1923 als Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches laizistisch und kemalistisch ausgerichtet. Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk leitete eine Modernisierung des Landes durch gesellschaftliche und rechtliche Reformen nach dem Vorbild vieler europäischer Nationalstaaten ein.
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Ähnlich wie andere Länder hat sich auch die Türkei mit hohen Staatsausgaben und einer lockeren Geldpolitik gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie gestemmt. Vor allem die lockere Geldpolitik führte aber dazu, dass die türkische Lira massiv unter Druck geriet. Wegen der relativ niedrigen Zinsen und der zugleich hohen Inflation (konstant etwa zwölf Prozent) liegt der für Investoren maßgebliche Realzins im negativen Bereich. Dies sorgt für ein abebben des ausländischen Kapitalflusses, auf den die Türkei wegen ihres chronischen Leistungsbilanzdefizits angewiesen ist. Zudem setzt ein Erdgasstreit im Mittelmeer zwischen der Türkei und Griechenland der Landeswährung zu.

Besonders stark leidet das Land aber unter dem Fernbleiben von Touristen. Zuletzt kamen wegen der Reisebeschränkungen deutlich weniger Urlauber in die Türkei. Im ersten Halbjahr brach die Zahl der Besucher aus dem Ausland um 75 Prozent auf 4,51 Millionen ein. Für Türkei-Urlauber aus dem Euroraum ist eine schwache türkische Währung allerdings von Vorteil. Da die Lira weniger wert ist, bekommen sie mehr Geld. Die Einheimischen können sich dagegen im Ausland weniger leisten. Zudem sind Importe in die Türkei deutlich teurer als zuvor. Um die Währung attraktiver zu machen, könnte die türkische Zentralbank (CBT) die Zinsen erhöhen. Dem steht allerdings Präsident Recep Tayyip Erdogan im Wege. Dieser hatte sich zuletzt wiederholt als „Zinsfeind“ bezeichnet. Trotz der Lira-Talfahrt beließ die Zentralbank daher den Leitzins bei 8,25 Prozent.

Jeder vierte Türke unter 25 arbeitslos

Zuvor hatte die Zentralbank den Zinssatz in einem fast ein Jahr lang währenden Lockerungszyklus von 24 Prozent auf den aktuellen Satz heruntergeschraubt, um der Konjunktur auf die Beine zu helfen. Ein weiteres großes Problem ist die Jugendarbeitslosigkeit. Inzwischen ist jeder vierte Türke unter 25 Jahren ohne Job. Noch 2018 hatte der Staatschef vollmundig angekündigt, sein Land werde 2023, im 100. Jahr der Republikgründung (siehe auch Info-Box), unter den zehn größten Wirtschaftsnationen der Welt stehen. Von diesem Ziel ist die Regierung im Sommer 2020 so weit entfernt wie nie zuvor.