home Politik Gescheiterte PKW-Maut: Gekündigte Betreiber verlangen mehr als eine halbe Milliarde Euro

Gescheiterte PKW-Maut: Gekündigte Betreiber verlangen mehr als eine halbe Milliarde Euro

Nach dem Aus für die geplante PKW-Maut fordern die gekündigten Betreiber 560 Millionen Euro Schadenersatz vom Bund. Die Ansprüche wurden in dieser Höhe beziffert und sollen in mehreren Schritten geltend gemacht werden, teilten die Unternehmen Kapsch und CTS Eventim in einer Pflichtmitteilung für die Börsen mit.

PKW-Maut wegen Ausländerdiskriminierung vom EuGH gestoppt

Die Firmen seien überzeugt, dass ihr für die Maut gegründetes Gemeinschaftsunternehmen Autoticket für den vorliegenden Fall der Vertragsbeendigung durch den Bund Anspruch auf den entgangenen Gewinn über die vereinbarte Vertragslaufzeit von zwölf Jahren habe. Zudem sehe der Betreibervertrag die „Kompensation der Beendigungskosten vor, zu denen auch Schadenersatzansprüche der beauftragten Unterauftragnehmer gehören“ würden. Für den massiv unter Druck geratenen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CDU) wird die Lage durch die heutige Forderung noch brenzliger. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte die von Scheuer für das kommende Jahr geplante Einführung der PKW-Maut nach Klagen aus den Nachbarländern gestoppt und als ausländerdiskriminierend eingestuft. Denn unter dem Strich hätten nur ausländische Fahrzeughalter die Maut tatsächlich gezahlt, deutsche Autofahrer wollte man hingegen über die KFZ-Steuer entlasten. Scheuer hatte die Verträge mit den Betreibern bereits Ende 2018 abschließen lassen. Zu diesem Zeitpunkt war aber noch völlig unklar, ob man die Maut in der geplanten Form überhaupt einführen darf.

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Urteil
Das vollständige Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur geplanten deutschen PKW-Maut vom Juni 2019 können Sie mit einem Klick auf "mehr dazu" abrufen.
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Nun rückt eine juristische Aufarbeitung der Mautaffäre näher. Im Betreibervertrag hatten sich der Bund und die Unternehmen auf ein privates Schiedsverfahren geeinigt, sollte es zu Rechtsstreitigkeiten kommen. Die Öffentlichkeit wäre bei einem solchen Verfahren also ausgeschlossen. Erst am Dienstag hatte das Bundesverkehrsministerium mit Verweis auf das etwaige Schiedsverfahren wichtige Dokumente zur PKW-Maut für den eben gestarteten Untersuchungsausschuss im Bundestag als „VS-Vertraulich“ gestempelt. Dadurch können diese Unterlagen voraussichtlich nicht mehr öffentlich im Untersuchungsausschuss diskutiert werden. Scheuer wies unterdessen die Forderungen der Unternehmen zurück. „Die Zahlen sind falsch und entbehren jeder Grundlage“, so der Minister. Zudem hätten die Betreiber keinen Anspruch auf Entschädigung, da sie ihre vertraglichen Leistungen nicht erfüllt und „Meilensteine“ gerissen hätten. Nach der Kündigung durch den Bund hätten sie die Verträge „vorsätzlich und treuwidrig“ verletzt. Er habe am Vormittag den Prozess für ein Maut-Schiedsverfahren in die Wege geleitet und die Betreiber für Mitte Januar zu einem Gespräch aufgefordert.

FDP: Forderung „K.O-Schlag“ für Bundesverkehrsminister

Die FDP machte den Bundesverkehrsminister indes direkt für die Millionen-Forderung der gekündigten Betreiberfirmen verantwortlich. Diese sei „auch ein K.O.-Schlag für Minister Scheuer“, sagte FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. „Mit seinem Vorgehen hat der Minister nicht nur einen Untersuchungsausschuss notwendig gemacht, sondern auch noch größeren Schaden verursacht, als bisher gedacht“. Scheuer müsse sich „den Forderungen jetzt stellen, die Zeit der Ablenkungsmanöver ist vorbei“.