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Jahrbuch Sucht 2022: Deutschland beim Alkohol weiterhin Hochkonsumland

In Deutschland wird im Schnitt weniger geraucht, der Konsum von Alkohol bleibt hingegen auf hohem Niveau. Dies geht aus dem Jahrbuch Sucht 2022 hervor, das die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) am Dienstag veröffentlicht hat. Deutschland bleibt den Angaben zufolge beim Alkohol ein „Hochkonsumland“.

10,2 Liter reiner Alkohol pro Kopf

2019 hat jede Bundesbürgerin und jeder Bundesbürger im Schnitt 10,2 Liter reinen Alkohol zu sich genommen. Dies bedeutet langfristig zwar einen Rückgang – 1970 lag der durchschnittliche Wert sogar noch bei 14,4 Litern pro Kopf. Trotzdem reichten die durch Prävention und Kontrollpolitik erzielten Fortschritte aber längst nicht aus, erklärte DHS-Geschäftsführerin Christina Rummel. „Alkohol ist ein Zellgift“, pflichtete Vorstandschef Norbert Scherbaum bei. Zahlreiche körperliche Erkrankungen seien auf Alkoholkonsum zurückzuführen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe es 2016 innerhalb eines Jahres in Deutschland 62.000 alkoholbedingte Todesfälle gegeben. Eine neuere Zahl liege nicht vor, da die WHO die Studie unter 195 Ländern nur in größeren Jahresabständen durchführe. Dennoch werde in Deutschland weiterhin „zu viel Alkohol getrunken“, so Rummel. Eine Aktionswoche ab dem 14. Mai soll mit zahlreichen Veranstaltungen auf die Risiken und Gefahren des Alkoholkonsums aufmerksam machen.

Shishas: Pfeifentabak steigt um 40 Prozent an

INFO-BOX:
DHS Jahrbuch
Sucht 2022
Das DHS Jahrbuch Sucht 2022 fasst unter anderem die neuesten Statistiken zum Konsum von Alkohol und Tabak sowie zu Glücksspiel, Essstörungen, Delikten unter Alkohol-einfluss, Suchtmitteln im Straßenverkehr und zur Rauschgiftlage zusammen.
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Beim Rauchen zeigt sich ein differenzierteres Bild. Der Konsum von Fertigzigaretten lag dem Jahrbuch zufolge im vergangenen Jahr bei 71,8 Milliarden Stück. Das sind 2,8 Prozent weniger als 2020. Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 863 Zigaretten fiel der Wert in diesem Teilbereich auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Bei selbstgedrehten Zigaretten ging der Verbrauch sogar um 5,6 Prozent zurück, was in etwa 37,3 Milliarden Selbstgedrehten entspreche. Pfeifentabak legte hingegen um knapp 40 Prozent auf knapp 8.400 Tonnen erheblich zu. Nach Angaben der Suchtexperten erklärt sich der massive Anstieg mit der anhaltend hohen Beliebtheit von Shishas, gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Insgesamt gaben die Deutschen im vergangenen Jahr 29,4 Milliarden Euro für Tabakprodukte aus. Für die Todesfälle, die auf die Folgen des Rauchens zurückgeführt werden, stammen die aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2018. Damals rauchten jede vierte Frau (24 Prozent) und jeder dritte Mann (34 Prozent) ab 18 Jahren. Rund 127.000 Menschen starben an den Folgen des Konsums von Tabakprodukten. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten, etwa für die Behandlung tabakbedingter Krankheiten, beliefen sich jährlich geschätzt auf mehr als 97 Milliarden Euro.

Corona-Folgen noch nicht absehbar

Abschließend wirft der Report einen Blick auf den legalen Glücksspielmarkt. Hier zeigt sich ein klarer Rückgang um gut elf Prozent auf 38,3 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2020. Das größte Marktsegment entfällt dabei auf die 220.000 aufgestellten gewerblichen Spielautomaten in Spielhallen und Gastronomiebetrieben. Auch beim nicht-regulierten, unerlaubten Markt sei von starken Rückgängen auszugehen.

Welche Spuren die anhaltende Corona-Pandemie im Suchtverhalten der Deutschen hinterlässt, sei derzeit noch nicht abzusehen. Corona habe allerdings auch die psychische Gesundheit der Bevölkerung stark beeinträchtigt, unterstrichen die Experten. In Krisen versuchten viele Menschen vermehrt mit Suchtmitteln, ihre Belastungen auszugleichen. Daraus lasse sich aber nicht automatisch schlussfolgern, dass die Deutschen während der Pandemie süchtiger geworden seien. Nach Auffassung der Suchthilfe seien die pandemiebedingten Härten vor allem für junge Menschen schwierig und verschärften zudem die Lage für Personen, die schon vorher psychosoziale oder gesundheitliche Probleme hatten.