home Politik, Wirtschaft Gasversorgung in Deutschland: Speicherfüllstand nähert sich der 75 Prozent-Marke

Gasversorgung in Deutschland: Speicherfüllstand nähert sich der 75 Prozent-Marke

Der Füllstand der deutschen Erdgasspeicher nähert sich trotz der stark reduzierten Liefermengen aus Russland weiter der 75-Prozent-Marke. Wie am Freitag aus im Internet veröffentlichten Daten der europäischen Gasspeicher-Betreiber hervorging, lag der Wert am vergangenen Mittwoch bei 70,4 Prozent. Der Füllstand wird immer mit zwei Tagen Verspätung gemeldet.

Müller: Frühere russische Speicher die Sorgenkinder

Am Dienstag hatte der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, erklärt, dass drei Viertel aller Gasspeicher in Deutschland bereits zu mehr als 80 Prozent befüllt seien, teilweise auch schon zu über 85 Prozent. Sorgenkinder seien „eine Handvoll Speicher“, die sich zuvor in russischer Hand befunden hätten, wie Rehden in Niedersachsen und Wolfersberg in Bayern. Dort seien die Füllstände deutlich niedriger. Gestern hatte der Füllstand des Speichers Rehden beispielsweise nur 45,73 Prozent betragen.

Eine neue Verordnung sieht vor, dass die deutschen Speicher am 1. September zu mindestens 75 Prozent gefüllt sein müssen. Zum 1. November muss der Füllstand 95 Prozent betragen. Die Speicher gleichen Schwankungen beim Verbrauch aus und bilden ein Puffersystem für den Markt. Zuletzt hatte Müller vorgerechnet, dass bei der derzeitigen Liefermenge und dem aktuellen Gasverbrauch in Deutschland der Füllstand der Speicher um täglich 0,4 Prozentpunkte wächst. Dieser Kalkulation zufolge müssten die anvisierten Füllmengen problemlos zu erreichen zu sein.

Füllstände höher als in einigen Vorgängerjahren

Trotzdem ist laut aktuellem Lagebericht der Bundesnetzagentur die Lage derzeit weiter angespannt. Eine weitere Verschlechterung könne nicht ausgeschlossen werden, heißt es dazu: „Die Gasversorgung in Deutschland ist im Moment aber stabil. Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist derzeit weiter gewährleistet“. Die aktuellen Füllstände liegen demnach zum Teil sogar deutlich höher als 2015, 2017, 2018 und 2021. Volle Speicher gelten als eine Voraussetzung dafür, dass Deutschland trotz reduzierter russischer Gas-Lieferungen ohne Rationierungen über den Winter kommt. An kalten Wintertagen werden bis zu 60 Prozent des Gasverbrauchs in Deutschland aus deutschen Speichern abgedeckt.

Nord Stream 1: Fehlende Gas-Turbine jederzeit lieferbar

INFO-BOX:
Flüssigerdgas
Liquefied Natural Gas (LNG) wird zum Transport auf bis zu -162 Grad Celsius heruntergekühlt und so verflüssigt. Am Bestimmungsort wird es wieder in gasförmigen Zustand umgewandelt. Größte LNG-Exporteure sind Katar und Australien.
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Seit Mittwoch letzter Woche liegt die Liefermenge aus der Ostseepipeline Nord Stream 1 nur noch bei etwa 20 Prozent der Kapazität. Der Energiekonzern Gazprom begründete dies mit einer fehlenden Gas-Turbine, die aber Mitte Juli wieder ausgeliefert wurde. Auf dem Weg nach Russland ist sie nun in Mülheim an der Ruhr zwischengelagert, weil Gazprom das Fehlen von nötigen Dokumenten und Informationen zur Reparatur bemängelt. Siemens Energy weist diese Vorwürfe zurück.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bei einem Besuch der Turbine betont, dass diese jederzeit geliefert werden könne. „Die Turbine ist da, sie kann geliefert werden, es muss nur Jemand sagen, ich möchte sie haben, dann ist sie ganz schnell da“. Dem Gastransport durch Nord Stream 1 stehe dann nichts mehr im Weg. „Alle vorgebrachten technischen Gründe sind nicht auf einer Faktenbasis nachvollziehbar“, so Scholz. Um sich von der russischen Abhängigkeit bei der Gasversorgung zu lösen, hat die Bundesregierung unter anderem mit dem Aufbau einer Infrastruktur zum Import von Flüssigerdgas (LNG) begonnen. Das erste von vier geplanten schwimmenden Terminals soll allerdings frühestens Ende des Jahres einsatzbereit sein.