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Hohe Ölpreise: USA zapfen Nationale Reserve an

Der amerikanische Präsident Joe Biden hat das Energieministerium angewiesen, 50 Millionen Barrel (je 159 Liter) Öl aus der Strategischen Petroleum Reserve freizugeben. Er reagiert damit auf die hohen Benzin- und Heizölpreise, die zu wachsendem Unmut in der Bevölkerung geführt haben. Der Preis für Benzin hat sich in den USA binnen einen Jahres um 90 Dollarcent je Liter erhöht. Nach Angaben des Präsidialamtes beteiligten sich auch andere Staaten wie China, Indien, Japan, Südkorea und Großbritannien an der Aktion.

Biden lässt Ölpreise auf Wucher überprüfen

INFO-BOX:
Strategische Ölreserve
Die strategische Ölreserve in Deutschland beträgt derzeit etwa 15 Millionen Tonnen Rohöl und 9,5 Millionen Tonnen fertige Mineralölerzeugnisse. Diese sollen eine Versorgung im Notfall für mindestens 90 Tage sicherstellen. Die Vorratsstätten für Rohöl befinden sich überwiegend in 1.000 bis 1.500 Metern Tiefe in Kavernenspeichern in Niedersachsen. An weiteren Standorten sind Benzin, Diesel, Heizöl, Kerosin und Schweröl eingelagert.
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„Der Präsident hat mit Ländern in der ganzen Welt zusammengearbeitet, um den Versorgungsmangel nach der Pandemie zu beheben“, teilte das Präsidialamt mit. Zuvor hatten demokratische Politiker Biden in einem Brief dazu aufgefordert, nicht nur die Nationale Reserve anzuzapfen, sondern auch Rohölexporte zu unterbinden. Dazu konnte sich das Weiße Haus jedoch nicht durchringen. Biden hatte vor der Entscheidung vergeblich versucht, die OPEC und Russland zu drängen, ihre Förderung nach oben zu fahren, um Preissenkungen zu ermöglichen. Gleichzeitig hatte er die Kartellbehörde FTC aufgefordert, die Preispolitik großer Ölkonzerne auf Wucher zu überprüfen. Es gebe immer mehr Anzeichen dafür, dass sich der Rückgang der Ölpreise nicht an der Zapfsäule widerspiegele, so ein US-Regierungsbeamter. Der 79-jährige US-Präsident steht schon seit längerem angesichts der vergleichsweisen hohen Inflation und sinkender Zustimmungswerte in der Bevölkerung unter Druck.

Marktexperten hatten bereits seit Tagen über eine abgestimmte Freigabe nationaler Ölreserven spekuliert. Daher hatten die Ölpreise auch schon vor der offiziellen Bekanntgabe etwas nachgegeben. Am Mittag kostete ein Barrel der Nordseesorte Brent 79,27 Dollar. Das waren 43 Cent weniger als am Vortag. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) fiel um 75 Cent auf 75,98 Dollar. Wie der mächtige Ölverbund OPEC+ auf die Freigabe reagieren wird, ist bislang unklar. Seit Sommer weiten die 23 Förderländer, angeführt von Saudi-Arabien und Russland, ihre Produktion schrittweise aus. Dem deutlichen Preisanstieg der vergangenen Monate sind die jedoch nicht mit einer stärkeren Ausweitung begegnet. Dies brachte ihnen Kritik aus den Verbraucherländern ein. Die Länder argumentieren, die hohen Ölpreise würden die wirtschaftliche Erholung nach dem massiven Einbruch in der Corona-Krise abwürgen.

Deutschland: Vorräte nur für „ernste Versorgungsstörungen“

Bei der strategischen US-Erdölreserve handelt es sich um einen Notvorrat, der den Zugang zu Erdöl im Falle von Naturkatastrophen oder nationalen Sicherheitsfragen sichern soll. Die Reserve wird vom Energieministerium verwaltet. Aktuell lagern mehr als 600 Millionen Barrel Öl an vier Standorten in den Bundesstaaten Louisiana und Texas. Südkorea bestätigte am Dienstag, eine entsprechende Anfrage der USA akzeptiert zu haben. Man berücksichtige dabei unter anderem die Notwendigkeit einer internationalen Zusammenarbeit und der Allianz mit den USA, erklärte das Außenministerium in Seoul. Großbritannien erlaubte Unternehmen, freiwillig einige ihrer Ölreserven freizugeben. „Dies ist ein vernünftiger und angemessener Schritt, um die globalen Märkte nach der Pandemie zu unterstützen“, teilte die britische Regierung auf Anfrage mit.

Deutschland hat indes keine Pläne, Vorräte auf den Markt zu geben. Hiesige Vorräte seien für ernste Versorgungsstörungen gedacht, erklärte das federführende Bundeswirtschaftsministerium. Die genauen Definitionen dazu sind im Erdöl-Bevorratungsgesetz verankert. Demnach sind Freigaben unter anderem zulässig zur Verhütung unmittelbar drohender oder zur Behebung eingehender Störungen, Abwehr eines beträchtlichen und plötzlichen Rückgangs der Lieferung von Erdöl sowie zur Erfüllung von Pflichten der Internationalen Energieagentur (IEA). Hohe Benzinpreise fallen nicht unter diese Definition. „Eine Freigabe darf jedoch nicht das primäre Ziel haben, Preise zu beeinflussen“, so das Ministerium.