Im Streit um die Justizreform in Polen haben polnische Richter vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einen Rückschlag erlitten. Die Luxemburger Richter wollten am Donnerstag aus formellen Gründen nicht über die polnischen Disziplinarverfahren entscheiden. Die Frage, ob die neue polnische Disziplinarordnung für Richter mit dem Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz vereinbar ist, sei derzeit kein Fall für das höchste EU-Gericht.
1. Kein Disziplinarverfahren wegen Anrufung des EuGH
2. Warhol: Polnische Richter wissen wenig über EU-Recht
3. Polnische Justizreformen schon mehrfach vor Gericht
Kein Disziplinarverfahren wegen Anrufung des EuGH
Hintergrund des Verfahrens sind die 2017 von der nationalkonservativen PiS-Regierung eingeführten Regelungen für Disziplinarverfahren gegen Richter. In zwei Verfahren in Polen äußerten Gerichte die Sorge, dass ihr Urteil zu einem solchen Verfahren gegen den jeweiligen Richter führen könnte. Sie verwiesen darauf, dass sich der Justizminister über die Reform Einfluss auf die Einleitung und Durchführung der Verfahren verschafft habe. So könne die Disziplinargerichtsbarkeit zu einem Werkzeug werden, um missliebige Personen zu entfernen. Außerdem könnten sich Richter zu vorauseilendem Gehorsam gedrängt fühlen. Die Luxemburger Richter stellten nun fest, dass die Ersuchen beider Gerichte ungültig sind. So gebe es keinen Zusammenhang zwischen dem EU-Recht, auf das sie sich bezögen, und den Ausgangsverfahren. Deshalb sei die Auslegung des europäischen Rechts für die jeweiligen Urteile in den konkreten Fällen nicht erforderlich. Zugleich betonte der EuGH, dass nationalen Richtern keine Disziplinarverfahren drohen dürften, weil sie den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung angerufen haben.
Warhol: Polnische Richter wissen wenig über EU-Recht
Prawo i Sprawiedliwość (PiS) |
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Die Prawo i Sprawiedliwość ("Recht und Gerechtigkeit") wurde 2001 vom damaligen Justizminister Lech Kaczyński und seinem Zwillingsbruder Jarosław gegründet. Sie gilt als gemäßigt EU-skeptisch und wird als nationalkonser-vativ, christdemokratisch und (rechts-)populistisch charakterisiert. |
Christian Wigand, Sprecher der EU-Kommission erklärte, man nehme das Urteil zur Kenntnis. Gleichzeitig betonte er, dass die heutige Entscheidung keinen Einfluss auf ein derzeit ebenfalls vor dem Europäischen Gerichtshof laufendes Verfahren habe, das die Brüsseler Behörde im Oktober vergangenen Jahres mit ihrer Klage angestoßen hat. Dabei geht es um die neuen Regeln für Disziplinarmaßnahmen, die aus Sicht der Kommission die Unabhängigkeit der Richter untergräbt. In diesem Eilverfahren gab es Anfang des Monats in Luxemburg eine mündliche Anhörung, eine Entscheidung soll in Kürze fallen.
Polnische Justizreformen schon mehrfach vor Gericht
In der Vergangenheit war der EuGH bereits mehrfach wegen der polnischen Reformen eingeschritten. 2019 entschied das Gericht etwa, die Zwangspensionierung polnischer Richter am Obersten Gerichtshof und an ordentlichen Gerichten verstoße gegen EU-Recht. Ein weiteres Gesetz zur Disziplinierung von Richtern, das der polnische Präsident Andrzej Duda erst Anfang Februar unterschrieben hatte, steht heftig in der Kritik. Auch hier könnte die EU-Kommission in Kürze aktiv werden. Die zuständige EU-Kommissarin Vera Jourova warnte vor wenigen Wochen vor der „Zerstörung“ des polnischen Justizwesens. Und schon 2017 leitete die Kommission ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gegen Polen ein. Damit können einem Staat bei Verstößen gegen EU-Grundrechte die Stimmrechte im Ministerrat entzogen werden. Das Verfahren stockt jedoch seit einiger Zeit.