home Politik Statt Zentralbankchef: Jens Stoltenberg bleibt ein weiteres Jahr NATO-Generalsekretär

Statt Zentralbankchef: Jens Stoltenberg bleibt ein weiteres Jahr NATO-Generalsekretär

Jens Stoltenberg bleibt wegen des russischen Krieges gegen die Ukraine ein weiteres Jahr Generalsekretär der NATO. Die Bündnisstaaten hätten beim Gipfeltreffen am Donnerstag entschieden, das Mandat des Norwegers bis zum 30. September 2023 zu verlängern, teilte das Verteidigungsbündnis mit. Stoltenberg selbst schrieb auf Twitter, er fühle sich „geehrt“ von der Entscheidung.

„Größte Sicherheitskrise binnen einer Generation“

INFO-BOX:
NATO-Generalsekretäre seit 1952
1952-1957: Hastings Ismay
1957-1961: Paul-H. Spaak
1961-1964: Dirk Stikker
1964-1971: Manilo Brosio
1971-1984: Joseph Luns
1984-1988: Peter Carington
1988-1994: M. Wörner
1994: Sergio Balanzino
1994-1995: Willy Claes
1995: Sergio Balanzino
1995-1999: Javier Solana
1999-2003: G. Robertson
2003: A. Minuto-Rizzo
2004-2009: J. de H. Scheffer
2009-2014: A. Rasmussen
seit 2014: Jens Stoltenberg
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Gleichzeitig gab das Finanzministerium in Oslo bekannt, dass der 63-Jährige seine Bewerbung für das Amt des norwegischen Zentralbankchefs zurückgezogen habe. Er hatte Anfang Februar offiziell den Zuschlag dafür erhalten. Stoltenberg ist seit 2014 NATO-Generalsekretär, seine Amtszeit hätte eigentlich am 30. September dieses Jahres geendet. In der anschließenden Pressekonferenz erklärte er, man erlebe derzeit die „größte Sicherheitskrise binnen einer Generation“. Die NATO werde sich langfristig besser aufstellen, auch in der Cyberabwehr.

Der Generalsekretär betonte, dass die Bündnispartner die Ukraine weiter mit der Lieferung von Luftverteidigungssystemen und Panzerabwehrwaffen sowie mit finanzieller und humanitärer Hilfe unterstützen werden. Gleichzeitig habe das Bündnis die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass der Konflikt „nicht noch weiter eskaliert“ und es keinen vollumfänglichen Krieg zwischen Russland und der NATO gebe. Eine solche Eskalation sei gefährlich. Deshalb werde die NATO auch keine Bodentruppen in die Ukraine entsenden.

Dass Stoltenberg nun länger als geplant bei der NATO bleibt, stellt auch eine große Anerkennung für seine bisher geleistete Arbeit dar. Meriten hat sich der Norweger vor allem als geschickter Vermittler zwischen den teils sehr unterschiedlichen Interessen der mittlerweile 30 NATO-Staaten erworben. Als sein Verdienst gilt insbesondere die Moderation in dem während der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump eskalierten Streit um die Verteidigungsausgaben der europäischen Alliierten. Trump drohte zweitweise sogar mit einem Austritt der USA aus dem Bündnis. Es ist mehr als eine kleine Randnotiz der Geschichte, dass es heute ausgerechnet dessen Nachfolger Joe Biden war, der den Vorschlag für die Vertragsverlängerung für Stoltenberg machte. Diplomaten zufolge löste dieser damit einen lang anhaltenden Applaus der Anwesenden aus.

Neue Truppen an NATO-Ostflanke

Stoltenberg will nun den Druck auf Russland weiter erhöhen. Das Land müsse auf „nie dagewesene Kosten“ einstellen. Zusätzlich werde das Bündnis weitere Streitkräfte nach Mittel- und Osteuropa entsenden. Demnach sollen vier weitere zusätzliche sogenannte Truppen nach Ungarn, Rumänien, Bulgarien und in die Slowakei verlegt werden. Die NATO stelle sich darauf ein, nun langfristig in den Gebieten präsenter zu sein. Die Allianz werde das Bündnisgebiet beschützen und jeden Zentimeter verteidigen. Zuvor hatten mehrere Staaten signalisiert, ihr Militärausgaben „signifikant“ erhöhen zu wollen.

Die Bundesregierung begrüßte unterdessen die Verlängerung des Mandats von Stoltenberg als NATO-Generalsekretär. „Er ist mit seiner klugen und besonnenen Art ein Garant für Erfolg und Einheit der Allianz“, erklärte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) via Twitter. Sie freue sich, dass Stoltenberg der NATO in diesen schwierigen Zeiten erhalten bleibe. In der Geschichte des Bündnisses ist Stoltenberg mit fast acht Jahren bereits jetzt einer der Generalsekretäre mit der längsten Amtszeit. Nach Angaben des norwegischen Finanzministeriums soll nun Interimsbankchefin Ida Wolden Bache anstelle des 63-Jährigen für sechs Jahre neue Chefin der norwegischen Zentralbank werden. Finanzminister Trygve Slagsvold Vedum werde so schnell wie möglich einen entsprechenden Antrag bei König Harald V. einreichen.