Ungarn muss sich wegen möglicher Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit als erstes Land einem Verfahren zur Kürzung von EU-Mitteln stellen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte am Dienstag im Straßburger Europaparlament an, dass ihre Behörde den ersten Schritt des sogenannten Rechtsstaatsmechanismus unternehmen werde. Darüber habe man am selben Tag auch die ungarischen Behörden informiert.
Ungarn hat vor allem Probleme mit Korruption
Rechtsstaatsmechanismus |
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Der Rechtsstaatsmecha-nismus wurde von der EU-Kommission 2014 zur Wahrung der in der EU geltenden Werte ins Leben gerufen. 2021 wurde er überarbeitet, sodass nun Verstöße gegen bestimmte Werte auch finanziell geahndet werden können. |
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán dürfte sich nach seinem überzeugenden Wahlsieg vor zwei Tagen allerdings mehr denn je in seinem Kurs bestätigt sehen. Orbáns rechtsnationale Fidesz-Partei holte am Sonntag 53 Prozent der Stimmen bei der Parlamentswahl und sicherte sich damit zum vierten Mal in Folge eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit. Der 58-Jährige steht damit vor seiner insgesamt fünften Amtszeit. Das Europaparlament macht schon seit längerem Druck auf die EU-Kommission, den Rechtsstaatsmechanismus auszulösen. Die Behörde betonte jedoch stets, auf das Urteil des EuGH warten zu wollen, das im Februar fiel. Dadurch sei kein Fall verloren gegangen, betonte von der Leyen. Das Parlament verklagte die Kommission sogar selbst vor dem Europäischen Gerichtshof. Das Verfahren ist noch anhängig.
Kann „für Ungarns Demokratie schon zu spät sein“
Entsprechend bedachten die Europaabgeordneten die Ankündigung der Kommissionspräsidentin nun mit Applaus. „Es ist absolut richtig, dass Ursula von der Leyen Sanktionen für die massiven Rechtsstaatsverstöße der Orbán-Regierung auf den Weg bringt“, sagte der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund. Allerdings könne es „für Ungarns Demokratie schon zu spät sein“. Moritz Körner (FDP) sprach von einer „guten Nachricht für die Demokratie in Europa“. Die späte Aktivierung habe jedoch auch einen faden Beigeschmack. Mit der späten Entscheidung habe von der Leyen dem ungarischen Ministerpräsidenten vier weitere Jahre im Amt geschenkt. Nun könne dieser die „Demolierung der ungarischen Demokratie“ fortführen. Als erste Vorstufe des Verfahrens hatte es im November 2021 bereits „blaue Briefe“ für Budapest und Warschau gegeben. Nun liegt es in der Hand der Kommission, um wieviel die Fördermittel gekürzt werden. 2019 bekam Ungarn rund fünf Milliarden Euro aus EU-Töpfen.