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Urteil: WikiLeaks-Gründer Assange wird nicht an die USA ausgeliefert

Ein Gericht in London hat entschieden: WikiLeaks-Gründer Julian Assange darf von Großbritannien nicht an die USA ausgeliefert werden. Der Grund seien die Haftbedingungen, die den 49 Jahre alten gebürtigen Australier in den USA erwarteten, so das Gericht. Richterin Vanessa Baraitser begründete ihre Entscheidung zudem damit, dass damit zu rechnen sei, dass sich Assange in Isolationshaft das Leben nehmen werde. Erwartungsgemäß wollen die Vereinigten Staaten gegen das Urteil Berufung einlegen. Assange drohen in den USA im Falle einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft.

Assange sieben Jahre in Botschaft Ecuadors

INFO-BOX:
WikiLeaks
Die Enthüllungsplattform WikiLeaks wurde 2006 nach eigener Darstellung von Dissidenten, Journalisten, Mathematikern und Technikern von Start-up-Unternehmen aus den USA, Taiwan, Europa, Australien und Südafrika gegründet. Später wurden jedoch Zweifel an dieser Darstellung laut. Initiator und treibende Kraft in einer Gruppe von fünf Personen und diversen Unterstützern zu Beginn des Projekts war Julian Assange.
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Anhänger von Assange jubelten begeistert vor dem Gerichtsgebäude in London, als das Urteil durchsickerte. Dutzende hatten zuvor in Sprechchören „Freiheit für Julian Assange“ gefordert. Über eine Freilassung des Gründers der Enthüllungsplattform WikiLeaks gegen Kaution werde am Mittwoch entschieden, teilte die Richterin mit. Diese könnte aufgrund der US-Berufung aber scheitern. Die US-Justiz wirft Assange vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Der 49-Jährige habe damit wissentlich das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht. Seine Unterstützer hingegen sehen in Assange einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat. Auch Menschenrechtler, Politiker und Organisationen wie Reporter ohne Grenzen hatten im Vorfeld vor einer Auslieferung gewarnt. Assange würde in den USA kein faires Verfahren bekommen.

Der gebürtige Australier sitzt seit rund eineinhalb Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Südosten Londons ein. Aufgrund der Corona-Pandemie durfte er nur sehr eingeschränkt Besuch empfangen, auch Telefonate nach draußen waren nur begrenzt möglich. Wegen eines Corona-Ausbruchs im Gefängnis wurde zeitweise ein ganzer Block unter Quarantäne gestellt. Familienmitglieder sorgen sich seit langer Zeit um Assanges psychischen und gesundheitlichen Zustand. Um seiner möglichen Auslieferung zu entgehen, hatte sich Assange 2012 in die Botschaft Ecuadors in Großbritannien geflüchtet. Dort hatte er sieben Jahre gelebt, ehe ihm 2019 das Asyl entzogen und er festgenommen wurde. Nach einer weiteren Instanz könnte das Verfahren nun in der Berufung zunächst vor den britischen Supreme Court gehen und schließlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg beschäftigen. Beobachter gehen davon aus, dass sich eine endgültige Entscheidung bis in die zweite Jahreshälfte 2021 hinziehen könnte.

„Wichtiger Schritt zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit“

Der nach Russland geflüchtete Whistleblower Edward Snowden lobte das heutige Urteil. Auf Twitter schrieb er: „Vielen Dank an alle, die sich gegen eine der gefährlichsten Bedrohungen der Pressefreiheit seit Jahrzehnten eingesetzt haben“. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) reagierte mit „Freude und Erleichterung“ auf das Urteil. Der Richterspruch sei ein wichtiger Erfolg für „alle Journalistinnen und Journalisten, die mit brisantem Material arbeiten, an dessen Veröffentlichung Mächtige kein Interesse haben“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Auch der außenpolitische Sprecher der Linke-Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, betonte, die Ablehnung der Auslieferung sei ein „wichtiger Schritt zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, im Interesse der Pressefreiheit und zu demokratischer Stabilität“. Assange müsse schnellstmöglich aus der Haft entlassen werden.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International begrüßte einerseits den Richterspruch, kritisierte jedoch gleichzeitig, dass es überhaupt zu dem Prozess kommen konnte. „Die Anklagen gegen ihn hätten gar nicht erst erhoben werden dürfen. Die Vorwürfe waren politisch motiviert und die britische Regierung hätte die US-Regierung nicht so bereitwillig bei der unerbittlichen Verfolgung von Assange unterstützen dürfen“. Dadurch habe Großbritannien die „Presse- und Meinungsfreiheit auf die Anklagebank gesetzt“.