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Wikileaks-Gründer: Gericht hebt Auslieferungsverbot von Julian Assange an USA auf

Ein britisches Berufungsgericht hat das Verbot einer Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA aufgehoben. Das Gericht folgte einem Berufungsantrag der USA, wie Richter Tim Holroyde am Freitag erklärte. Damit wird eine vorherige britische Gerichtsentscheidung gegen die Auslieferung annulliert. Die britische Justiz hat nun erneut über das Auslieferungsersuchen der USA entscheiden. Assange muss somit damit rechnen, doch noch an die Vereinigten Staaten ausgeliefert zu werden.

Assange-Verlobte: Entscheidung „schwere Rechtsbeugung“

INFO-BOX:
WikiLeaks
Die Enthüllungsplattform WikiLeaks wurde 2006 nach eigener Darstellung von Dissidenten, Journalisten, Mathematikern und Technikern von Start-up-Unternehmen aus den USA, Taiwan, Europa, Australien und Südafrika gegründet. Später wurden jedoch Zweifel an dieser Darstellung laut. Initiator und treibende Kraft in einer Gruppe von fünf Personen und diversen Unterstützern zu Beginn des Projekts war Julian Assange.
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Der Fall gehe nun zum erstinstanzlichen Gericht mit der Weisung zurück, die Entscheidung über die Auslieferung dem Innenministerium zu überlassen, sagte Richter Holroyde. Die Verlobte von Julian Assange, Stella Moris, kündigte unmittelbar nach der Aufhebung des Auslieferungsverbots an, erneut in Berufung zu gehen. „Wir werden diese Entscheidung zum frühestmöglichen Zeitpunkt anfechten“, so Moris. Die Entscheidung des High Courts sei „gefährlich und fehlgeleitet“ sowie eine „schwere Rechtsbeugung“. Auch Dutzende Assange-Anhänger, die sich vor dem Gerichtsgebäude in London versammelt hatten, zeigten sich enttäuscht und empört. Viele skandierten „Schande, Schande“ und kündigten an, weiter für die Freilassung des Wikileaks-Gründers zu kämpfen.

Ein britisches Gericht hatte Anfang des Jahres die Auslieferung des 50-Jährigen unter Berücksichtigung seines psychischen und gesundheitlichen Zustands sowie der zu erwartenden Haftbedingungen in den USA untersagt. Washington hatte diese Entscheidung jedoch angefochten. Aus US-Sicht habe das Gericht bei der damaligen Entscheidung falsche Schlüsse zu Assanges Gesundheitszustand gezogen. „Herr Assange hatte jeden Grund, bei seinen Symptomen zu übertreiben“, hieß es. Die USA sicherten indes zu, im Falle einer Inhaftierung nicht wie befürchtet „Spezialmethoden“ anzuwenden sowie einer Verlegung des gebürtigen Australiers in ein Gefängnis seines Heimatlandes zuzustimmen. Diese Zusicherungen seien ausreichend, um die Sorgen um seine Gesundheit auszuräumen, so Richter Holroyde.

Assanges Angehörige beschreiben seinen Zustand jedoch seit Monaten als unverändert schlecht und besorgniserregend. Nach seiner Flucht aus einem erweiterten Hausarrest 2012 in die ecuadorianische Botschaft, wurde Assange am 11. April 2019 von der Londoner Polizei festgenommen und sitzt seither im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Von dort aus nahm er teilweise per Videoschalte an den letzten Anhörungen des Gerichts teil.

Plante CIA Anschlag auf Assange?

Die US-Justiz will dem 50-Jährigen wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Assange drohen bei einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft. Ihm wird vorgeworfen, zusammen mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Damit habe er das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht. Seine Unterstützer sehen in Assange hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen an das Licht der Öffentlichkeit brachte. Bei Anhörungen im Oktober hatten beide Seiten erneut ihre Argumente vorgetragen. Die US-Anwälte warfen der britischen Justiz vor, sich bei ihrer Einschätzung auf fehlerhafte Gutachten verlassen zu haben.

Assanges Verteidiger hingegen setzten auf neue Enthüllungen über angebliche Anschlagspläne auf Assange, die vor wenigen Monaten durch Medienberichte aufgedeckt wurden. Investigativ-Journalisten hatten unter Berufung auf nicht näher genannte US-Quellen berichtet, der US-Geheimdienst CIA habe Anschlagspläne geschmiedet, während sich Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London aufhielt. Seine Unterstützer hoffen, dass diese Enthüllungen nun eine Auslieferung in die USA unwahrscheinlicher machen. Sollten die USA am Ende dennoch erfolgreich sein, werde dies zudem „alarmierende Konsequenzen für die Pressefreiheit haben“, so die Londoner Vertreterin von Reporter ohne Grenzen, Rebecca Vincent. „Bei diesem Fall geht es nicht nur um Assange, sondern um das Recht aller Journalisten, ihre Arbeit zu tun, und um das Recht der Öffentlichkeit, sich zu informieren“.