home Politik Hass und Hetze: Innenministerin Faeser will gegen Telegram vorgehen

Hass und Hetze: Innenministerin Faeser will gegen Telegram vorgehen

Die neue Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat ein schärferes Durchgreifen gegen Hetze und Gewaltaufrufe beim Messengerdienst Telegram angekündigt. „Gegen Hetze, Gewalt und Hass im Netz müssen wir entschlossener vorgehen“, sagte Faeser den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Das Bundesamt für Justiz habe gegen Telegram zwei Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz geführt, auf die Telegram nicht reagiert habe. „Das wird diese Bundesregierung nicht hinnehmen“, betonte Faeser.

Telegram besonders bei Corona-Leugnern beliebt

Messengerdienste seien zwar vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz nicht erfasst, soweit sie zur Individualkommunikation bestimmt seien. Mit Telegram könne man inzwischen aber Nachrichten in öffentlichen Gruppen mit bis zu 200.000 Mitgliedern schreiben, bestätigte Faeser nun die Einschätzung des Bundesamts für Justiz. Öffentliche Kanäle lassen sich von einer unbegrenzten Anzahl von Personen abonnieren. Diese unterliegen aber bereits heute den gleichen Regeln des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes wie beispielsweise Facebook oder Twitter. „Das bedeutet, dass offensichtlich strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden müssen, rechtswidrige Inhalte innerhalb von sieben Tagen“, so die 51-Jährige SPD-Politikerin. Zudem gelte für die öffentlichen Kanäle die Meldepflicht an das Bundeskriminalamt. Unklar blieb jedoch, was die Behörden genau unternehmen wollen, falls Telegram weiterhin nicht auf die angestoßenen Verfahren reagiert. Auch viele Gegner der Corona-Maßnahmen nutzen Telegram, um ihre Proteste zu organisieren. Zudem riefen Extremisten in der Vergangenheit über den Messengerdienst immer wieder zu Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker sowie Experten auf.

Mordpläne gegen Sachsen-Ministerpräsident Kretschmer

INFO-BOX:
Telegram
Telegram wurde 2013 von den Brüdern Nikolai und Pawel Durow gegründet. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben seinen Sitz in Dubai, zudem soll es Angestellte im russischen St. Petersburg geben. Anfang 2021 erreichte Telegram eine aktive Nutzerzahl von 500 Millionen.
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Am Wochenende war es in zahlreichen Städten erneut zu Ausschreitungen bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen gekommen. Politiker aller Parteien verurteilten die Gewalt. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) warnte davor, dass Rechtsextremisten sich die Proteste zunehmend zu eigen machten. Bei „Bild TV“ sagte Reul über den extremistischen Teil der Protestierenden: „Die sind brandgefährlich, weil sie mittlerweile nicht nur reden, schwätzen, sich gegenseitig hochstacheln, sondern auch zu Taten schreiten“. Das mache ihm große Sorgen. Deshalb könne er allen Demokraten nur raten, „dass wir gemeinsam sagen: Jetzt ist Schluss, hier gibt es eine Grenze“.

Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer sieht sich bei Telegram regelmäßig Beleidigungen und Bedrohungen ausgesetzt. In einer Chatgruppe gab es offenbar sogar Mordpläne. Am Wochenende hatte der 46-Jährige eine stärkere Regulierung des Messengerdienstes angemahnt. „Es kann nicht länger angehen, dass die Betreiber von Telegram von Dubai aus tatenlos zuschauen, wie in ihrem Netzwerk Morddrohungen verbreitet werden. Wenn sie ihre Dienste weiter auf dem deutschen Markt anbieten wollen, müssen sie gegen diese Hetze vorgehen. Andernfalls muss die EU, muss die Bundesregierung, müssen Apple und Android die Nutzung einschränken“.

Experte: Proteste bergen terroristische Gefahren

Auch Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) bekräftigte im ZDF-Morgenmagazin die Ansicht, dass der Messengerdienst mit seinen öffentlichen Gruppen eine soziale Plattform geworden sei. „Dort wird geworben für Demonstrationen, dort wird auch zu Gewalt aufgerufen, dort werden Adressen veröffentlicht von Politikerinnen und Politikern“. Dies sei „perfide und unerträglich. Da müssen wir als Gesellschaft eine ganz klare Sprache finden“. Eine kleine Minderheit werde „immer lauter, immer radikaler“. Meier äußerte zudem Unverständnis dafür, dass sich Bürger diesen Protesten in großer Zahl anschließen. Der Terrorismusexperte Peter Neumann schloss zudem auch terroristische Gefahren ausgehend von diesen Protesten nicht aus. „Was wir vereinzelt bereits gesehen haben, sind komplexere Anschläge auf das RKI zum Beispiel oder auf Kliniken und auf Impfstellen“. Deshalb könne er sich vorstellen, „dass wir in einigen Monaten tatsächlich möglicherweise von einer terroristischen Kampagne sprechen müssen“.