Der billionenschwere Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) ist teilweise verfassungswidrig. Wie das Bundesverfassungsgericht heute in Karlsruhe urteilte, hat die Notenbank damit in mehreren Punkten gegen das Grundgesetz verstoßen. Die Bundesregierung hätte so unter anderem dagegen vorgehen müssen, dass die EZB ihre Beschlüsse nicht auf deren Verhältnisse geprüft habe. Zudem hätte die Notenbank die wirtschaftlichen Folgen für Sparer und Immobilienpreise in den Blick nehmen müssen.
1. Urteil tangiert Corona-Hilfen der EZB nicht
2. EZB kaufte bis 2018 Anleihen für rund 2,6 Billionen Euro
3. Experten sind Anleihenkaufprogramm nicht gefährdet
Urteil tangiert Corona-Hilfen der EZB nicht
Mit dem heutigen Urteil stellt sich das Bundesverfassungsgericht gegen eine vorherige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser hatte das EZB-Programm in allen Punkten gebilligt. Mit dem Urteil, das Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle verkündete und das mit sieben zu einer Stimme erging, hatten mehrere Verfassungsbeschwerden teilweise Erfolg. Beschwerdeführer sind unter anderem der frühere CSU-Politiker Peter Gauweiler sowie AfD-Gründer Bernd Lucke.
Der EZB-Rat müsse nun in einem neuen Beschluss zeigen, dass das Programm der Notenbank zur Ankurbelung von Konjunktur und Inflation in der Euro-Zone verhältnismäßig sei. Ansonsten sei es der Deutschen Bundesbank untersagt, nach einer Übergangsfrist von höchstens drei Monaten an den Käufen teilzunehmen, so die Richter. „Bundesregierung und Deutscher Bundestag sind aufgrund ihrer Integrationsverantwortung verpflichtet, der bisherigen Handhabung des PSPP (Public Sector Purchase Programme) entgegenzutreten.“ Gleichzeitig stellte das Gericht klar, dass die Entscheidung nicht die aktuellen Aufkaufprogramme der EZB zur Unterstützung von Staaten in der Corona-Krise betreffe. Auch sehe man in dem Aufkaufprogramm keine unzulässige Staatsfinanzierung.
EZB kaufte bis 2018 Anleihen für rund 2,6 Billionen Euro
Staatsanleihen |
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Bei einer Staatsanleihe fungiert ein Staat als Schuldner. Staatsanleihen werden als Finanzierungs- instrument genutzt, beispielsweise zum Abbau von Haushaltsdefiziten. Auf diese Weise können u.a. Steuererhöhungen ganz oder teilweise vermieden werden. |
Mittelfristig macht das heutige Urteil die europäische Krisenpolitik nun deutlich komplizierter. Die aktuelle Anleihekäufe dürfen zwar weitergehen, die Karlsruher Richter haben jedoch grundsätzliche Voraussetzungen in das Urteil geschrieben. So dürfen zukünftig beispielsweise nur noch ein Drittel der bei der EZB gelagerten Anleihen von einem Staat stammen. Die in der Regel immer dieselben Staaten in Krisenzeiten finanzielle Hilfe benötigen, dürfte diese Auflagen nur schwer zu erfüllen sein.
Experten sind Anleihenkaufprogramm nicht gefährdet
Die Bundesbank hat nun drei Monate Zeit, gemeinsam mit der EZB prüfen zu lassen, ob die Ankäufe der Staatsanleihen verhältnismäßig sind. Experten sehen diese indes nicht gefährdet. „Im Kern hat das Verfassungsgericht der EZB grünes Licht gegeben“ sagte Commerzbank-Volkswirt Jörg Krämer. Mit ihrer „Armada an Spezialisten“ werde es der Notenbank ein Leichtes sein, eine solche Prüfung vorzunehmen. „Die Anleihekäufe der EZB werden weitergehen.“ Die Bundesregierung reagierte indes zurückhaltend auf die Entscheidung. Man nehme das Urteil „mit großem Respekt zur Kenntnis“, so der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jörg Kukies. Die Bundesregierung wolle sich bei der EZB für eine gründliche Prüfung der beanstandeten Anleihekäufe einsetzen. Man gehe aber auch davon aus, dass die Notenbank dies tun werde, sagte Kukies.