Die Lokführergewerkschaft GDL hat sich für einen bundesweiten Streik bei der Deutschen Bahn entschieden. 95 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder hätten für einen Streik gestimmt, sagte GDL-Chef Claus Weselsky nach einer Urabstimmung. Damit sei die notwendige Zustimmung von 75 Prozent weit übertroffen worden. „Das ist mehr als wir erwartet haben“, so Weselsky. Nach seinen Angaben beteiligten sich mehr als 70 Prozent der GDL-Mitglieder an der Urabstimmung.
1. Streik im Personenverkehr bis Freitagmorgen
2. Rauer Ton zwischen den Tarifparteien
3. Machtkampf zwischen GDL und größerer EVG
Streik im Personenverkehr bis Freitagmorgen
Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) |
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Die GDL wurde 1867 gegründet. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main und aktuell rund 37.000 Mitglieder. Die Gewerkschaft ist Tarifpartner der Deutschen Bahn und weiterer 53 privater Eisenbahn-unternehmen. |
Gleichzeitig kritisierte der Konzern die Gewerkschaft scharf. „Gerade jetzt, wenn die Menschen wieder mehr reisen und die Bahn nutzen, macht die GDL-Spitze den Aufschwung zunichte, den wir in Anbetracht der massiven Corona-Schäden dringend brauchen“, erklärte Personalchef Martin Seiler. Zudem habe sich die GDL nicht an ihre Ankündigung gehalten, den Kunden ausreichend Vorlauf zu lassen, ehe sie mit dem Streik beginne. Dieser sei für Kunden und Beschäftige „ein Schlag ins Gesicht“, ergänzte eine Bahn-Sprecherin.
Rauer Ton zwischen den Tarifparteien
Die GDL hatte bereits Anfang Juni die monatelangen Tarifgespräche für gescheitert erklärt und es mehrfach abgelehnt, ohne ein neues Angebot der Bahn an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die GDL will eine Nullrunde im laufenden Jahr nicht akzeptieren und verlangt eine deutliche Corona-Prämie sowie Einkommenssteigerungen von 3,2 Prozent bei 28 Monaten Laufzeit. Die Bahn will angesichts von Milliardenverlusten durch die Pandemie und die Schäden durch die Hochwasser-Katastrophe einen länger laufenden Tarifvertrag und spätere Erhöhungsstufen bei gleicher Prozentzahl. Dies lehnt die Gewerkschaft ab. Überhaupt war der Ton zwischen den beiden Tarifparteien in der Vergangenheit rau. „Scheinofferte“, „Lügenbaron“ oder eine „Attacke auf das ganze Land“ – in ihrem Zwist griffen beide Parteien zu harschen Worten. Am Dienstag fasste Weselsky nun die Situation auf einer Pressekonferenz mit folgenden Worten zusammen: Das Management der Deutschen Bahn habe das Eisenbahnsystem in „Grund und Boden“ gefahren. „Die Verhandlungen sind gescheitert, nun kommen Arbeitskämpfe“.
Machtkampf zwischen GDL und größerer EVG
Auch der Fahrgastverband Pro Bahn kritisierte, dass die GDL die Streiks zu kurzfristig angesetzt habe. „Ein Streik richtet sich bei der Bahn nicht nur gegen das Unternehmen, sondern auch gegen weite Teile der Bevölkerung. Viele Fahrgäste können nicht ausweichen“, erklärte der Pro Bahn-Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann. Die Linke begrüßte hingegen die Maßnahmen. Dass es zum Streik komme, habe die Konzernleitung zu verantworten, sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch. „Dass sie den Beschäftigten einen Corona-Bonus verweigert, obwohl diese das Land während der Krise sprichwörtlich auf den Schienen gehalten haben, ist ein Trauerspiel“.
Neben dem Streit über Einkommenszuwächse tobt bei der Bahn ein Machtkampf zwischen der GDL und der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Für die GDL sind hohe Tarifabschlüsse für möglichst viele Berufsgruppen und Beschäftigte daher auch eine Frage des Überlebens und hinsichtlich künftiger Wachstumsmöglichkeiten. Denn die Bahn muss das Tarifeinheitsgesetz umsetzen. In den rund 300 Betrieben des Unternehmens soll demnach nur noch der Tarifvertrag der jeweils größeren Gewerkschaft zur Anwendung kommen. Dies ist meist die EVG. Die GDL hat daher bereits angekündigt, der Konkurrenz Mitglieder abjagen zu wollen.