home Politik, Wirtschaft Neue Streiks vorerst abgewendet: Bahn und GDL einigen sich – EVG will neu verhandeln

Neue Streiks vorerst abgewendet: Bahn und GDL einigen sich – EVG will neu verhandeln

Die Lokführergewerkschaft GDL und die Deutsche Bahn haben in ihrem festgefahrenen Tarifkonflikt überraschend eine Einigung erzielt. Dies teilten beide Seiten am Donnerstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin mit. Beide Parteien einigten sich auf eine Lohnerhöhung in zwei Stufen und auf Corona-Prämien. Weitere Streiks sind damit erst einmal vom Tisch.

Ministerpräsidenten Weil und Günther als Vermittler

Im Tarifkonflikt hatten zuletzt auch die Ministerpräsidenten von Niedersachen und Schleswig-Holstein, Stephan Weil (SPD) und Daniel Günther (CDU) vermittelt. Die Einigung sieht bei einer Laufzeit von 32 Monaten eine Erhöhung der Bezüge in Höhe von 3,3 Prozent vor. Im Dezember dieses Jahres werden die Gehälter dabei um 1,5 Prozent und im März 2023 nochmals um 1,8 Prozent steigen. Außerdem erhalten alle Beschäftigten zweimal eine Corona-Beihilfe. Im Dezember gibt es 300, 400 oder 600 Euro, je nach Einkommensgruppe. Im März kommenden Jahres dann nochmals 400 Euro für alle Beschäftigten. Die GDL willigte zudem in die geplante Umstrukturierung der betrieblichen Altersvorsorge ein. Das bisherige System der Zusatzrente werde ab 2022 nur für Bestands-Mitarbeiter fortgesetzt. Erstmals schließt die GDL neben dem Zugpersonal auch Tarifverträge für Mitarbeitende in Werkstätten und in der Verwaltung ab, nicht jedoch für die Infrastruktur.

Scheuer: „Wichtiges Signal für Deutschland“

INFO-BOX:
Gewerkschaft Deutscher
Lokomotivführer (GDL)
Die GDL wurde 1867 gegründet. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main und aktuell rund 37.000 Mitglieder. Die Gewerkschaft ist Tarifpartner der Deutschen Bahn und weiterer 53 privater Eisenbahn-unternehmen.
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Geeinigt haben sich beide Parteien zudem auf ein Verfahren, mit dem man feststellen will, welche Gewerkschaft in den jeweiligen Bahnbetrieben die Mehrheit an. Davon hängt nach dem Tarifeinheitsgesetz ab, welcher Tarifvertrag zur Anwendung kommt. Die GDL hat derzeit nur in 16 der rund 300 Bahn-Betriebe die Mehrheit, in 71 Betrieben muss dies noch festgestellt werden. GDL-Chef Claus Weselsky sprach von einem „guten Kompromiss“. Er fühle sich damit wohl. „Die Rente ist sicher“, sagte er mit Blick auf die Verständigung zu den Betriebsrenten. Bahn-Vorstand Martin Seiler erklärte, er sei „froh, mitteilen zu können“, dass die Verhandlungen nun abgeschlossen seien. Der Brückenschlag zwischen Kunden, Mitarbeitern und Unternehmen sei gelungen.

Ministerpräsident Günther sprach von einer guten Nachricht für alle Kundinnen und Kunden der Bahn. „Am Ende steht jetzt ein Ergebnis, das von allen Beteiligten getragen wird“. Weil sagte, die Beteiligung von Außenstehenden sei angesichts der zunächst recht verfahrenen Situation sicher nützlich gewesen. Auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer lobte die Einigung. Das Ergebnis stehe und sei eine „Erleichterung von Millionen Bahnkunden und auch für die deutsche Wirtschaft“. Es sei für die Fahrgäste und die Lieferketten im Güterverkehr ein wichtiges Signal für Deutschland. Mit Blick auf die Tarifautonomie dankte Scheuer den beteiligten Ministerpräsidenten für ihren Einsatz, betonte aber zugleich: „Ich habe mich nicht eingemischt, aber ich habe mich gekümmert“.

EVG will Bahn Forderungskatalog vorlegen

Der Tarifkonflikt selbst ist mit der heutigen Einigung aber möglicherweise noch nicht beendet. Die größere Bahn-Gewerkschaft EVG kündigte nach Bekanntwerden der Übereinkunft an, der Bahn nun ihrerseits einen Forderungskatalog vorzulegen. „Wir bereiten uns auf Verhandlungen vor, aber auch auf Maßnahmen bis hin zum Arbeitskampf“, betonte der Vorsitzende der EVG, Klaus-Dieter Hommel, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Das geschehe aber in Ruhe und ohne Hektik. Die Bahn betonte indes, auf die GDL zugehen zu wollen. Die EVG hatte schon im vergangenen Jahr eine Einigung mit der Bahn erzielt. Diese beinhaltet jedoch ein Sonderkündigungsrecht, sollte eine andere Gewerkschaft ein besseres Ergebnis erzielen. Das ist nun der Fall.

Die EVG habe 2020 mitten in der Corona-Krise große Solidarität gezeigte, so Bahn-Vorstand Seiler. „Von daher ist es mir wichtig, dass keine Mitglieder der EVG in irgendeiner Form schlechter gestellt werden oder Nachteile haben“. Dies stieß dem GDL-Boss, dessen Gewerkschaft in direkter Konkurrenz zur EVG steht, sauer auf: „Wir haben anders abgeschlossen, und zwar höher, sichtbar höher. Wir geben Millionen aus, gehen in den Streik, lassen uns beschimpfen, und am Ende des Tages dürfen wir zuschauen, wir der Tarifabschluss den anderen hinterhergetragen wird“, so Weselsky.