home Politik Bundestagswahl: Bundeswahlleiter will halb Berlin neu abstimmen lassen

Bundestagswahl: Bundeswahlleiter will halb Berlin neu abstimmen lassen

Wegen zahlreicher Pannen und Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung hält Bundeswahlleiter Georg Thiel eine teilweise Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin für unumgänglich. Bereits im November hatte er Einspruch gegen die Wertung der Wahl in sechs von zwölf Berliner Bundestagswahlkreisen eingelegt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Vorkommnisse Auswirkungen auf die Sitzverteilung im neuen Bundestag hätten, so Thiel.

Komplettes systematisches Versagen der Wahlorganisation

INFO-BOX:
Bundeswahlleiter
Der Bundeswahlleiter organisiert und überwacht die politischen Wahlen und Wahlvorbereitungen in Deutschland auf Bundesebene. Dazu gehören die Wahlen zum Deutschen Bundestag und zum EU-Parlament auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Traditionell übernimmt der Präsident des Statistischen Bundesamtes das Amt des Bundeswahlleiters.
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Am Wahltag seien nicht nur einzelne Fehler als Ausreißer passiert, sagte Thiel am Dienstag bei der Anhörung des Wahlprüfungsausschusses des Bundestags. Vielmehr scheine es sich um ein „komplettes systematisches Versagen der Wahlorganisation“ gehandelt zu haben. Konkret gehe es ihm nicht nur um den Wahlkreis 77 (Reinickendorf). Dort gehe man nach Prüfung der Vorkommnisse nach Angaben des „Tagesspiegel“ von einer Mandatsrelevanz aus. Auch in den Wahlkreisen 75 (Mitte), 76 (Pankow), 79 (Steglitz-Zehlendorf), 80 (Charlottenburg-Wilmersdorf) und 83 (Friedrichshain-Kreuzberg – Prenzlauer Berg Ost) hält Thiel eine Wahlwiederholung für notwendig.

Die Wahlen zum Bundestag und zum Berliner Abgeordnetenhaus am 26. September vergangenen Jahres, waren in der Hauptstadt von zahlreichen Pannen geprägt gewesen. Hierzu zählten falsche oder fehlende Stimmzettel oder die zweitweise Schließung von Wahllokalen. Einige hatten teils noch Stunden nach dem eigentlichen Ende des Urnengangs um 18 Uhr geöffnet. „Wir sind hier in der Bundeshauptstadt eines zivilisierten Landes. Da darf so etwas nicht vorkommen“, erklärte Thiel vor dem Wahlprüfungsausschuss. „Ich frage Sie, was muss sonst noch passieren, dass wir Wahlen als nicht optimal gelaufen oder rechtswidrig oder wiederholungsfähig ansehen?“ Daher sei sein Einspruch gegen die Wahl gerechtfertigt. „So etwas darf sich nicht wiederholen“. Als erste Konsequenz hatte sich kurz nach dem Debakel die Berliner Landeswahlleiterin Petra Michaelis von ihrem Posten zurückgezogen.

Wahlwiederholung nicht vor Frühjahr 2023

Der Berliner CDU-Generalsekretär Stefan Evers schätze die Aussagen des Bundeswahlleiters nach der Anhörung als „dramatisch“ ein. Es sei offensichtlich, dass „die Fehler des Senats so schwer wiegen, dass mindestens weite Teile der Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl zu wiederholen sind“. Ausgerechnet in der deutschen Hauptstadt habe es Zustände wie in einer „Bananenrepublik“ gegeben. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz, Mitglied im Wahlprüfungsausschuss, sprach von einem kompletten Systemversagen, das in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig sei. Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann erklärte gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa), dass die Anhörung gezeigt habe, dass die Berliner Wahlfehler noch viel schlimmer als gedacht seien. Das sei eine Blamage für ganz Deutschland. „Um Schaden von unserer Demokratie abzuwenden, muss es Konsequenzen geben“.

In den kommenden Wochen oder Monaten will der Wahlprüfungsausschuss eine Empfehlung über eine mögliche Wahlwiederholung in den betroffenen Wahlkreisen abgeben. Anschließend stimmt der Bundestag in einer Plenarsitzung darüber ab. Gegen diese Entscheidung kann wiederum vor dem Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht werden. Wie die „Berliner Zeitung“ berichtet, ist mit einer möglichen Wahlwiederholung nicht vor Frühjahr kommenden Jahres zu rechnen.