home Politik Migranten-Ansturm: Tausende Flüchtlinge schwimmen von Marokko nach Spanien

Migranten-Ansturm: Tausende Flüchtlinge schwimmen von Marokko nach Spanien

Rund 7.000 Migranten haben bis Dienstag von Marokko aus die spanische Nordafrika-Exklave Ceuta erreicht. Die Flüchtlinge schwammen etwa zwei Kilometer von der marokkanischen Stadt Fnideq durchs Mittelmeer. Die marokkanische Polizei sei dabei nicht eingeschritten, berichtete die Zeitung „El Pais“ unter Berufung auf Augenzeugen. Unter den Migranten sollen sich rund 1.500 Minderjährige befinden. Inzwischen gab die spanische Regierung bekannt, das rund 1.600 Menschen ins Nachbarland zurückgeschickt worden seien.

Marokko schloss wegen Corona Grenze zu Exklaven

INFO-BOX:
Ceuta
Die spanische Stadt Ceuta liegt an der nordafrikanischen Küste und der Straße von Gibraltar. Als spanische Exklave gehört Ceuta zur Europäischen Union, nicht aber zum Zollgebiet der EU und auch nicht zum Schengen-Raum. Ceuta ist ebenso nicht Mitglied der NATO. Ceuta war seit dem 15. Jahrhundert zunächst in portugiesischem, später in spanischem Besitz. Nach der Unabhängigkeit Marokkos 1956 blieben Ceuta und Melilla spanisch. Seit 1995 haben die beiden Exklaven den Status einer „autonomen Stadt“.
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Als Grund für die faktische Einstellung der Grenzkontrollen seitens der marokkanischen Polizei nannten spanische Medien die Verärgerung der Regierung in Rabat darüber, dass Spanien die medizinische Behandlung des Chefs der Unabhängigkeitsbewegung Polisario für Westsahara, Brahim Ghali, erlaubte. Dieser befindet sich seit April wegen einer Corona-Erkrankung in einem spanischen Krankenhaus. Marokko beansprucht das Gebiet an seiner Südgrenze als Teil seines Staatsgebietes.

Am Montag seien die Behörden in der kleinen spanischen Exklave mit rund 85.000 Einwohnern von dem Ansturm völlig überrascht worden. Man habe nichts weiter tun können, als Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Mindestens ein Mensch sei dennoch ums Leben gekommen, sagte ein Sprecher der spanischen Delegation der Exklave. Die Lage sei chaotisch, viele der Migranten irrten immer noch in der Stadt umher. Inzwischen habe man damit begonnen, die Erwachsenen in einem Stadion unterzubringen. Das spanische Militär in Ceuta bot den Behörden logistische Hilfe an und verstärkte gleichzeitig den Schutz seiner Einrichtungen. Die Zentralregierung in Madrid kündigte die Entsendung 200 zusätzlicher Polizisten an.

Auch die andere spanische Exklave Melilla erlebte einen Migranten-Ansturm, allerdings in weit kleinerem Ausmaß. Nach Angaben der örtlichen Behörden versuchten am Dienstagmorgen rund 300 Menschen aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara, von Marokko aus den Grenzzaun zu überwinden. Den Behörden sei es gelungen, rund 200 Menschen zurückzudrängen. 85 Männer und eine Frau konnten die Absperrung jedoch überwinden. Ceuta und Melilla haben die einzige Landgrenze der Europäischen Union mit Afrika. Sie sind deshalb regelmäßig Ziel von Flüchtlingen, die sich in Europa ein besseres Leben erhoffen. Viele Marokkaner im Umfeld von Ceuta und Melilla haben zudem ihre Arbeit und damit ihr Einkommen verloren, seit Marokko die Grenze zu den beiden Gebieten im März 2020 wegen der Corona-Pandemie schloss. Immer wieder demonstrierten Menschen, die früher in den Exklaven arbeiteten, für ein Ende der Schließung.

Rabat zieht Botschafterin aus Berlin ab

Westsahara an der nordafrikanischen Atlantikküste war bis 1975 spanische Kolonie. Marokko kontrolliert große Teile des dünn besiedelten Gebietes an seiner Südgrenze. Die Polisario unter Brahim Ghali strebt nach einer Unabhängigkeit für die Westsahara. Marokko will der Region aber nur eine Autonomie zugestehen. Im vergangenen Dezember hatte der damals bereits abgewählte, aber noch amtierende US-Präsident Donald Trump Marokkos Souveränität über die Westsahara anerkannt. Seither wachsen die Spannungen zwischen Marokko und europäischen Ländern, die Trumps Entscheidung kritisierten. So rief Rabat Anfang dieses Monats seine Botschafterin aus Berlin zurück. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kritisierte aber auch die EU. Sei nunmehr fünfzehn Jahren verhandle Marokko über einen besseren Zugang für seine Waren zum europäischen Wirtschaftsraum. „Das ist die Reaktion einer Jugend, die den Reichtum, den Wohlstand in Europa sieht, aber selbst in Armut, Not und Hunger lebt“, so Müller.