home Politik „Schwarzbuch“ des Bundes der Steuerzahler: Von teuren Briefen und zu schnellen Sanduhren

„Schwarzbuch“ des Bundes der Steuerzahler: Von teuren Briefen und zu schnellen Sanduhren

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat am Dienstag sein mittlerweile 49. „Schwarzbuch“ vorgelegt. Darin listet der Verband Projekte auf, mit denen seiner Meinung nach öffentliche Gelder in Deutschland verschwendet werden. Auch dieses Mal kamen wieder 100 Fälle zusammen, bei denen der Verein bereits umgesetzte oder in der Zukunft geplante finanzielle Vorhaben des Bundes sowie von Ländern und Kommunen kritisiert. BdSt-Präsident Reiner Holznagel sagte bei der Präsentation, immer wieder werde Steuergeld „zu sorglos eingesetzt und verschwendet“.

133.000 Euro für veraltete Corona-Infos

Dazu gehört für den BdSt beispielsweise das Bundesgesundheitsministerium, das zu Beginn der Corona-Pandemie Masken und Schutzkleidung zu womöglich überhöhten Preisen eingekauft hatte. Eine Überprüfung lehnt das Ministerium ab, obwohl es extra dafür eingerichtete Preisüberwachungsstellen gibt. Auch die teuren digitalen Impfzertifikate und Vorauszahlungen von rund einer Million Euro für die von den Gesundheitsämtern fast nie genutzte Luca-App kritisiert der gemeinnützige Verein. Auch der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) erntete für eine Corona-Aktion Kritik. Hans hatte Anfang dieses Jahres einen zweiseitigen Brief an rund 570.000 Haushalte verschicken lassen, dessen „Neuigkeitswert gleich Null“ gewesen sei. Zudem sei eine darin enthaltene Empfehlung zum Tragen von Corona-Masken veraltet gewesen. Mit Druck, Porto und Material habe diese Aktion 133.000 Euro gekostet und sei ein „typisches Beispiel für Steuergeldverschwendung“. Für dieses Geld hätte man alternativ 40 Luftreiniger in Schulen aufstellen können, so der BdSt.

Diätenerhöhung in Rheinland-Pfalz „instinktlos“

INFO-BOX:
Bund der Steuerzahler
Der Bund der Steuerzahler (BdSt) wurde im Jahr 1949 gegründet und hat seinen Sitz in Berlin. Als seine Ziele nennt der Verein die Senkung von Steuern und Abgaben sowie die Verringerung von Bürokratie, Steuer-verschwendung und Staatsverschuldung. Mit etwa 230.000 Mitgliedern ist er die größte Steuerzahlerorganisation der Welt.
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In Rheinland-Pfalz kritisiert das „Schwarzbuch“ unter anderem die Zuschüsse der Landesregierung für den insolventen Flughafen Hahn. Um nicht „unnötig Steuergeld zu gefährden“, müsse das Land die gezahlten Betriebsbeihilfen in Höhe von rund zehn Millionen Euro nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens umgehend als Forderung anmelden. Außerdem sei die zuletzt beschlossene Diätenerhöhung der Landtagsabgeordneten „um saftige elf Prozent“ in Zeiten von Corona, der Hochwasser-Katastrophe und der Rekord-Verschuldung des Landeshaushalts „instinktlos“. Natürlich finden sich im neuesten „Schwarzbuch“ aber auch wieder zahlreiche „Klassiker“ der Steuerverschwendung.

So baute man jetzt im Sauerland eine Fußgängerbrücke direkt neben eine bereits bestehende Brücke. Deutlich älter ist hingegen eine Brücke im nordrhein-westfälischen Castrop-Rauxel. Diese stellte man bereits 1980 im Zuge der Planung für eine Umgehungsstraße für 950.000 D-Mark fertig. Sie ahnen es: Die Straße existiert bis heute nicht und die Brücke steht seither ohne Nutzwert in der Landschaft. In Bremen ließ die Stadt für rund 30.000 Euro Bilder der bekannten Stadtmusikanten auf den Boden malen. Allerdings hielt die Farbe nicht lange, sodass die Bilder bald verschwunden waren – ebenso wie das Geld. In Wittenberg ließ die Stadt 2.500 Park-Sanduhren anschaffen, um kurz darauf einräumen zu müssen, dass der Sand in der Parkuhr zu schnell rieselt. Und in Schleswig-Holstein feierte man für einen Autobahn-Bauabschnitt von 20 Kilometern Länge innerhalb weniger Wochen gleich zweimal den ersten Spatenstich – einmal am einen und dann nochmal am anderen Ende der Strecke.

„Greensill“: Missachteten Kommunen eigene Richtlinien?

Diese Fälle seien nur die Spitze des Eisbergs, sagte Holznagel. „Niemand weiß, wie viel Steuergeld in Deutschland genau verschwendet wird“. Aber es dürften wohl viele Milliarden sein. Besonders ärgerlich sei dies, wenn konkretes Fehlverhalten zu Millionenverlusten führe, wie im Fall der insolventen privaten Greensill Bank. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hatte im März wegen drohender Insolvenz eine Zwangsschließung über die Bank verhängt. Zu diesem Zeitpunkt hatten nach Angaben des BdSt rund 40 Gebietskörperschaften, vor allem Kommunen, Einlagen in Höhe von etwa 350 Millionen Euro bei dem Geldhaus. Hier drohten den Steuerzahlern nun „hohe Verluste durch risikobehaftete Finanzgeschäfte der Kommunen“, heißt es.

Dabei könnten sich sogar Verwaltungen in einigen Fällen nicht an die eigenen Richtlinien für Kapitalanlagen gehalten haben. „In den betroffenen Rathäusern wird das derzeit geprüft, denn die Gemeinden sind nach den Vorschriften des Haushaltsrechts dazu angehalten, bei Geldanlagen grundsätzlich auf eine ausreichende Sicherheit zu achten“, schreiben die Autoren und verweisen auf mögliche Schadenersatzforderungen. Wer das Geld der Steuerzahler treuhänderisch verwalte, müsse Sicherheit vor Rendite walten lassen. Daher müsse man aus dem „Greensill-Debakel“ umgehend Konsequenzen ziehen, forderte der BdSt.