home Wirtschaft Statt Staatshilfen: Lufthansa-Chef Spohr bringt Insolvenz in Eigenverantwortung ins Gespräch

Statt Staatshilfen: Lufthansa-Chef Spohr bringt Insolvenz in Eigenverantwortung ins Gespräch

In den Verhandlungen um mögliche Hilfen in der Corona-Pandemie prüft die Lufthansa jetzt offenbar auch eine Insolvenz in Eigenverantwortung anstelle eines direkten Einstiegs des Staates. Entsprechende Informationen der Gewerkschaft Ufo bestätigte am Dienstag ein Unternehmenssprecher in Frankfurt. Gegenüber der „Zeit“ hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr zuvor vor einem zu großen Staatseinfluss auf sein Unternehmen als Folge möglicher Staatshilfen gewarnt. „Wenn die Bundesrepublik zu große Einflussnahme auf operative Geschäftsaufgaben nehmen wollte, fordert das vielleicht die österreichische Regierung ebenso ein, dann möglicherweise auch die Schweiz, Belgien, Bayern oder Hessen.“

Lufthansa verliert eine Million Euro pro Stunde

INFO-BOX:
Deutsche Lufthansa AG
Die heutige Deutsche Lufthansa AG wurde im Jahr 1953 gegründet. Den Flugbetrieb nahm das Unternehmen am 1. April 1955 auf, nachdem die Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Lufthoheit wiedererlangt hatte. Bis 1963 war die Deutsche Lufthansa AG zu fast 100 Prozent in Staatsbesitz. Seit 1997 ist das Unternehmen vollständig privatisiert und war im selben Jahr Gründungsmitglied der Star Alliance. Der Heimat-flughafen der Deutschen Lufthansa ist Frankfurt/M., ein weiteres Drehkreuz ist der Flughafen München.
mehr dazu
Noch hat die Lufthansa keine Staatshilfen bekommen – doch die Zeit drängt. Stündlich verliert die Airline durch den Stillstand des Flugbetriebs in der Corona-Krise einen Millionenbetrag. Die Lufthansa führt derzeit mit verschiedenen Regierungen Europas Gespräche über Finanzhilfen. Laut einem Medienbericht soll sich die Fluggesellschaft mit der Bundesregierung bereits über einen Rettungsplan einig sein. Wie das Wirtschaftsmagazin „Business Insider“ schreibt, wolle sich der Bund mit neun Milliarden Euro an Lufthansa beteiligen. Dafür soll er eine Sperrminorität sowie zwei Aufsichtsmandate erhalten. Trotzdem will sich Spohr den Weg in eine Insolvenz in Eigenverantwortung offenhalten. Dies käme vor allem dann in Betracht, wenn der Lufthansa bei einem Staatseinstieg nicht wettbewerbsfähige Bedingungen drohten. „Es darf nie eine politisch verordnete Frage werden, ob wir von München oder von Zürich aus nach Osaka fliegen“, so Spohr gegenüber der „Zeit“.

Bei einer Insolvenz in Form eines Schutzschirmverfahrens könnte die Lufthansa ohne Einstieg des Staates eine Sanierung unter dem bisherigen Management angehen. Das Unternehmen würde hierzu unter die Aufsicht eines Sachverwalters gestellt. Ein solches Verfahren hat beispielsweise vor kurzem der Ferienflieger Condor durchlaufen. Bei einem Staatseinstieg erhoffen sich hingegen Arbeitnehmervertretungen wie die Kabinengewerkschaft Ufo einen besseren Schutz von Arbeitnehmerrechten und strategische Vorteile für den deutschen Luftverkehr. Airline-Chef Spohr warb indes intern um Vertrauen in die unternehmerischen Entscheidungen seines Managements. „Die Lufthansa hat die drei besten Jahre ihrer Konzerngeschichte hinter sich. Wenn sie auch zukünftig erfolgreich sein soll, muss sie auch weiterhin ihr Schicksal unternehmerisch gestalten können.“

Allerdings gestand Spohr auch ein, dass sich das Unternehmen aus eigener Kraft nicht mehr retten könne. Aktuell fliegen die Lufthansa-Airlines gerade einmal noch rund ein Prozent des üblichen Flugprogramms. Trotz umfangreicher Kurzarbeit drücken das Unternehmen viele Fixkosten, die zu einem Verlust von einer Million Euro cash pro Stunde führen. Erst in der vergangenen Woche hatte Lufthansa einen ersten operativen Quartalsverlust in Höhe von 1,2 Milliarden Euro bekanntgegeben. Diese Summe soll für die laufenden Monate noch höher ausfallen.

Normalisierung des Flugbetriebs frühenstens 2023

Auch nach dem Ende der Corona-Pandemie will die Lufthansa mit deutlich weniger Flugzeugen unterwegs sein, um die Kosten zu senken. So werden beispielsweise sechs Jumbojets vom Typ Airbus A380 ausgemustert und die Billig-Tochter Germanwings komplett eingestellt. Gleichzeitig müsse man sich dafür rüsten, nach dem Ende der Krise wieder voll wettbewerbsfähig zu sein. Ansonsten könnten Konkurrenten wie Ryanair oder Easyjet versuchen, ihre Marktposition gegenüber einer aus ihrer Sicht geschwächten Lufthansa zu vergrößern, so Spohr. In der Branche ist man sich indes einig, dass die Airline aufgrund ihrer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland mit großzügigen Hilfen rechnen kann. Mit einer Normalisierung des Flugbetriebs rechnen aber auch Branchenexperten frühestens im Jahr 2023.