home Politik Italien: Ehemaliger EZB-Chef Mario Draghi soll Expertenregierung bilden

Italien: Ehemaliger EZB-Chef Mario Draghi soll Expertenregierung bilden

Nach dem Bruch der Regierungskoalition in Italien hat Staatspräsident Sergio Mattarella dem früheren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, das Mandat zur Bildung eines Expertenkabinetts erteilt. „Ich danke dem Präsidenten für das Vertrauen“, sagte der 73 Jahre alte Ökonom nach dem Treffen mit Mattarella. Draghi will nun weitere Verhandlungen führen. Er zeigte sich zuversichtlich, dass sich aus den Gesprächen mit den Parteien eine verantwortungsvolle Lösung ergeben werde.

Draghi sucht Unterstützung im Parlament

INFO-BOX:
Ministerpräsidenten
Italiens seit 1980
1980-1981: Arnaldo Forlani
1981-1982: G. Spadolini
1982-1983: A. Fanfani
1983-1987: Bettino Craxi
1987: Amintore Fanfani
1987-1988: Giovanni Goria
1988-1989: Ciriaco De Mita
1989-1992: Giulio Andreotti
1992-1993: Giuliano Amato
1993-1994: Carlo A. Ciampi
1994-1995: S. Berlusconi
1995-1996: Lamberto Dini
1996-1998: Romano Prodi
1998-2000: M. D'Alema
2000-2001: Giuliano Amato
2001-2006: S. Berlusconi
2006-2008: Romano Prodi
2008-2011: S. Berlusconi
2011-2013: Mario Monti
2013-2014: Enrico Letta
2014-2016: Matteo Renzi
2016-2018: Paolo Gentiloni
2018-2021: Giuseppe Conte
seit 2021: Mario Draghi
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Eigenen Angaben zufolge will Draghi nun versuchen, eine Mehrheit im Parlament zu formen. Italien erlebe derzeit einen „schwierigen Moment“. Er werde „mit großem Respekt“ schauen, wie sich der Wille des Volkes im Parlament ausdrücke. Am Dienstag waren die Sondierungsgespräche für eine Neuauflage des bisherigen Regierungsbündnisses der Mitte-links-Parteien gescheitert. Der Staatspräsident hatte Draghi daraufhin zu Gesprächen über eine Expertenregierung in seinen Amtssitz eingeladen. Anschließend appellierte Mattarella eindringlich an die Parteien im Parlament, eine solche Lösung zu unterstützen. Sicher hat der ehemalige EZB-Chef aber nur die Unterstützung der kleinen Partei Italia Viva des früheren Ministerpräsidenten Matteo Renzi. Dieser hatte Draghi schon in der Vergangenheit mehrfach ins Gespräch gebracht. Auch die Demokratische Partei sowie die Forza Italia von Silvio Berlusconi gelten als potenzieller Unterstützer. Die Fünf-Sterne-Bewegung lehnt bisher eine Unterstützung Draghis ab. Die rechte Lega von Matteo Salvini fordert Neuwahlen. Diese will Präsident Mattarella mitten in der Corona-Pandemie allerdings vermeiden.

Die bisherige Regierung des parteilosen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte war nach dem Ausstieg des kleinen Partners Italia Viva geplatzt. Hintergrund waren scharfe Attacken Renzis auf die Corona-Politik Contes. Unter anderem warf Renzi dem Staatschef vor, die riesigen EU-Finanzhilfen in Höhe von rund 223 Milliarden Euro falsch einsetzen zu wollen. Statt Investitionen zu tätigen, würde er Gelder verschwenden. Entsprechend schwierig hatten sich anschließend die Bemühungen um eine Wiederauflage der Koalition gestaltet. Auch der Einsatz eines Mediators in Form des Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Roberto Fico, half nichts. Er erklärte die Gespräche anschließend für gescheitert.

Draghi gilt als europanaher Wirtschafts- und Finanzexperte mit politischem Gespür und Mut. Der Bankmanager stand von 2011 bis 2019 an der Spitze der EZB und ist aus der Krise der Gemeinschaftswährung 2012 als „Euroretter“ bekannt. Berühmt wurde dabei vor allem sein Ausspruch „Whatever it takes“ („Koste es, was es wolle“), mit der er versicherte, alles Notwendige zu unternehmen, um den Euro zu erhalten. Vor seiner Zeit bei der Europäischen Zentralbank hatte Draghi bereits von 2006 bis 2011 die italienische Notenbank geleitet.

Corona-Krise hat Rezession in Italien verschlimmert

Um an die Gelder aus dem EU-Wiederaufbaufonds zu gelangen, muss Italien in wenigen Wochen einen Investitionsplan bei der EU-Kommission in Brüssel vorlegen. Dieses Ziel hatte Mattarella in seiner Ansprache am Dienstagabend auch als dringende Aufgabe der neuen Regierung betont. „Wir haben die Chance, viel für unser Land zu tun“, sagte Draghi im Angesicht einer nationalen Gesundheitskrise, eines nationalen Impfprogramms gegen das Corona-Virus und einer jahrelangen Rezession, die sich durch die Pandemie noch verschlimmert hat. Italien brauche schnellstmöglich eine „voll funktionsfähige Führung“, sagte Präsident Mattarella am Dienstag. Die Chancen für eine Parlamentsmehrheit für die Draghi-Expertenregierung stehen dabei gar nicht schlecht. Denn auch aus den Reihen der Fünf-Sterne-Bewegung, der stärksten Kraft im Parlament, mehren sich inzwischen die Stimmen, eine solche Lösung nicht vorschnell vom Tisch zu wischen.