Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss hat der Bundestag am Freitag mit großer Mehrheit die Ablösung der Hartz-IV-Grundsicherung durch das sogenannte Bürgergeld zum Jahresanfang 2023 auf den Weg gebracht. Die Abgeordneten nahmen den Kompromissvorschlag mit 557 Ja-Stimmen bei 98 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen an. Neben den Ampel-Koalitionsparteien hatten im Vorfeld auch die Union ihre Zustimmung angekündigt. AfD und Linke stimmten dagegen.
Sanktionen im Vermittlungsausschuss verschärft
Im Anschluss passierte das Bürgergeld auch den Bundesrat mit deutlicher Mehrheit. Damit ist das Gesetz endgültig beschlossen. Nach der Ablehnung des ursprünglichen Entwurfs von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Bundesrat durch CDU/CSU vor knapp zwei Wochen, wurde das Bürgergeld im Vermittlungsausschuss nachgeschärft. Bereits ab Januar sind demnach Kürzungen von bis zu 30 Prozent möglich, wenn sich Arbeitslose entgegen den Absprachen nicht auf eine Stelle bewerben oder eine Maßnahme zur Qualifizierung nicht antreten. Außerdem dürfen Betroffene nun etwas weniger angespartes Geld behalten als ursprünglich geplant. Das sogenannte Schonvermögen beträgt in einer „Karenzzeit“ von einem Jahr 40.000 Euro. Weitere Personen einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft dürfen jeweils weitere 15.000 Euro behalten. Altersvorsorge und Wohnung bleiben zunächst weitgehend unangetastet.
Bessere Qualifikation statt Vermittlung in Helferjobs
Bürgergeld |
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Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nannte die erzielte Einigung im Bundesrat eine „Sternstunde der Demokratie“. Auch Hessens Landeschef Boris Rein (CDU) lobte das „schnelle und über Parteigrenzen hinweg gefundene Ergebnis“. Das Bürgergeld werde für „viele Menschen in Deutschland eine spürbare Verbesserung bringen“. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hob als für sie „allerwichtigsten Punkt“ den Wegfall des Vermittlungsvorrangs hervor. Dies gebe Betroffenen „das Recht und die Möglichkeit“, sich zu qualifizieren oder eine Ausbildung zu machen. So soll eine bessere Vermittlung in dauerhafte Arbeit anstatt in einfache Helferjobs gelingen.
Paritätischer Wohlfahrtsverband: Erhöhung viel zu gering
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) sicherte nach dem Beschluss eine pünktliche Auszahlung des Bürgergelds ab Januar zu. „Wir haben nun Klarheit und können loslegen. Die erhöhten Regelsätze werden wir pünktlich zum Jahreswechsel auszahlen“, erklärte die zuständige Vorständin der Bundesagentur, Vanessa Ahuja. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte dem Magazin „Focus“, das Bürgergeld sei eine sozialpolitische Zäsur. „Diese Reform ist ein Meilenstein der Sozialpolitik in Deutschland“, so Scholz.
Kritik kam erneut vom Paritätischen Wohlverbandsverband, der die beschlossenen Regelsätze als zu niedrig ansieht. „Die Erhöhung des Regelsatzes um 53 Euro ist gerade einmal ein Ausgleich des inflationsbedingten Kaufkraftverlustes des letzten Jahres“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Nach unseren Berechnungen müsste der Regelsatz statt auf 501 auf 725 Euro angehoben werden, um den Menschen tatsächlich das gesellschaftliche Existenzminimum sicherzustellen“.